Rezension

Beängstigend....

Die Stadt der Blinden - José Saramago

Die Stadt der Blinden
von Jose Saramago

Bewertet mit 4.5 Sternen

Die Erzählung beginnt damit, dass ein Autofahrer an einer Kreuzung urplötzlich erblindet. Nach und nach ereilt dieses Schicksal immer mehr Menschen ohne ersichtliche Gründe, so dass die Regierung von einer Epidemie ausgeht. Die infizierten Menschen werden isoliert und in eine frühere stillgelegte Nervenheilanstalt verbracht, um so die Ausbreitung der Krankheit zu verhindern. Dabei greift die Regierung allerdings zu drastischen Maßnahmen. Die Anstalt wird völlig abgeriegelt und von Soldaten bewacht. Innerhalb der Einrichtung müssen die Erblindeten nun völlig ohne Hilfe von außen zusehen, wie sie zurechtkommen. Dabei haben sie nicht nur mit den immer größer werdenden hygienischen Problemen zu kämpfen....es bildet sich auch bald eine Gruppe Blinder heraus, welche die Verteilung der Nahrungsmittel übernimmt und so die anderen materiell und physisch ausbeutet.

In seinem Roman "Die Stadt der Blinden" erzählt Saramago von einer epidemiologischen Katastrophe mit desaströsen Folgen.

 Die Geschichte ist harter Tobak. Saramago erzählt unglaublich bildgewaltig den menschlichen Verfall der Gesellschaft. Dabei bedient er sich einer fiktiven namenlosen Stadt. Namenlos sind auch die Figuren in seiner Geschichte. Die Personen werden lediglich anhand ihrer Persönlichkeit, Herkunft oder ihres Berufsstandes benannt: z.B. der Arzt, die Frau des Arztes, der Taxifahrer, die Frau mit der schwarzen Brille etc. Diese Verallgemeinerung reicht völlig aus, um die Story mit Charakteren zu besetzen....Nicht nur das: meiner Meinung nach wird sogar dadurch ein besonderes Gewicht auf die eigentliche Handlung gelegt. Eine namentliche Benennung ist hier vollkommen überflüssig.

Ich war von diesem Roman total geflasht. Die Story ist unglaublich dicht und überzeugend. Dennoch seien interessierte Leser gewarnt. Leicht liest sich dieses Buch nicht. Zum einen wird die wörtliche Rede nicht in Anführungszeichen gesetzt, was allein schon den Lesefluss beeinträchtigt, da es im Vergleich zu der Vielzahl von Romanen doch eher ungewöhnlich ist. Zum anderen wird die direkte Rede überhaupt nicht abgegrenzt. Die Dialoge reihen sich komplett aneinander, so dass zum Teil nicht auf dem 1. Blick erkennbar ist, wer gerade spricht. Das sieht konkret so aus, dass innerhalb eines Satzes mehrere Personen sprechen....die einzelnen Passagen werden lediglich durch Kommas abgetrennt. Das Lesen war für mich daher hin und wieder richtig harte Arbeit. Außerdem fällt deutlich auf, dass es wenige Kapitel und in diesen noch viel weniger Absätze gibt. Der Text erscheint dem Leser dadurch wie eine lückenlose Wand. Ich denke, das diese Wirkung gezielt erreicht werden sollte. Der Autor möchte dem Leser wahrscheinlich die gleiche „Wand“ vor Augen führen, welche die Blinden erdulden müssen. Eine andere Erklärung habe ich nicht dafür.

 Wer sich dennoch an diesen Roman herantraut, wird bestimmt nicht enttäuscht werden. Das Buch ist einfach nur gewaltig.