Rezension

Beängstigend realistisch, nervenaufreibend und zutiefst verstörend

Mind Gap -

Mind Gap
von Anne Freytag

Bewertet mit 5 Sternen

Von Anne Freytag bin ich bisher softere Romane gewohnt.
Einfach Romane, die das Herz berühren.
Sagen wir mal so: auch „Mind Gap“ berührt das Herz. Aber auf eine komplett andere Art und Weise.
Ihr neuer Roman hat eine sehr interessante und zugleich beängstigende Thematik und ich hab mir so gewünscht, dass es auch ausreichend ausgearbeitet wird. Und ja, ich bin beeindruckt. Denn es hat meine Erwartungen bei weitem übertroffen.

Der Schreibstil der Autorin ist sehr fesselnd und bildhaft.
Die Atmosphäre sehr gehaltvoll und beklemmend.
Sich jetzt auf einen Charakter zu fokussieren, wäre ein Fehler. Dennoch hat mich Silvie mit ihrer unbeugsamen und mutigen Art wirklich tief beeindruckt. Sie gibt niemals auf und stellt sich ohne mit der Wimper zu zucken, dem stärksten Gegner in den Weg.
Daneben gibt es noch weitere unglaublich interessante und facettenreiche Charaktere. Die auf verstörende, aber auch faszinierende Art und Weise ,Eindruck machen.
Dabei sind sie authentisch und sehr gut greifbar.

Bereits der Einstieg war sehr nervenaufreibend und beklemmend.
Denn es beginnt mit Sylvies Geschichte.
Und das ist nur der Anfang.
Es hat mich zutiefst schockiert, was sich im Laufe der Handlung herauskristallisiert hat und wie das Ganze letztendlich zusammenhängt.
Dabei geht es um Kontrolle, Macht und Berechnung.
Der Mensch zählt nicht. Er ist eine Hülle, die man benutzen und gezielt einsetzen kann.
Fortschritt ist wichtig und gut.
Forschung gehört dazu.
Aber was, wenn nicht alles ist, wie es scheint?
Wenn es nicht darum geht, alles besser und einfacher zu machen.
Wenn es Menschen gibt, die ihrem Wahn verfallen und nach immer mehr gieren?
Puh, das war harter Tobak. Denn man entdeckt deutliche Parallelen zu unserer Welt.
Es ist beängstigend nah und gar nicht so weit entfernt. Was wohl das schlimmste überhaupt ist.
Es gibt Helden, es gibt Opfer und Täter.
Aber diese lassen sich nicht so einfach benennen. Denn sie verschwimmen in ihrer Form, schmelzen zusammen und man kann es nicht von vornherein verurteilen.
Man spürt, dass sich die Autorin sehr viele Gedanken gemacht hat, um wirklich zu verdeutlichen, um was es hier geht.
Menschlichkeit ist Schwäche.
Und das sorgt hier für angreifbare Momente.
Offensichtlich und verdeckt.

Mich hat dieser Roman enorm viel gekostet.
Weil klar wird, wie sehr man manipuliert und benutzt werden kann. Dabei kann man sich kaum davor schützen.
Beängstigend ist, wie leicht das Ganze vonstatten geht.
Wie wenig die Menschen hinterfragen und alles mit sich machen lassen.
Und dann gibt es diese Menschen, die sich wie ein Schutzschild davorstellen.
Und zu Gejagten werden.
Anne Freytag hat sich hier mit einer sehr ernsten Thematik auseinandergesetzt, die Gut und Böse in sich vereint und dabei so viele Felder abdeckt.
Sie hat es in meinen Augen großartig ausgearbeitet und ich kann nur hoffen, niemals in diese Situation zu kommen.
Auch wenn es beängstigend und absolut beklemmend ist, lest dieses Buch.

Fazit:
Mit ihrem neuen Roman „Mind Gap“ konnte mich Anne Freytag beeindrucken und absolut überzeugen.
Beängstigend realistisch, nervenaufreibend und zutiefst verstörend.
Fortschritt ist wichtig.
Aber was, wenn Fortschritt missbraucht wird?
Was, wenn du des freien Willens beraubt wirst?
Wer bist du dann noch?
Unbedingt lesen.