Rezension

beeindruckend

Großväterland - Markus Freise, Christian Hardinghaus

Großväterland
von Markus Freise Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Mit dem Buch "Großväterland" ist dem Historiker Christian Hardinghaus und dem Zeichner Markus Freise ein mutiges Experiment gelungen.

Hardinghaus hat mit vielen Überlebenden des 3. Reiches sehr persönliche Interviews geführt und sich ihre Erlebnisse erzählen lassen.
Die Interviews wurden mit dem Zeichner Markus  Freise besprochen und beide haben entschieden welche Episode zeichnerisch umgesetzt werden soll.
So entstand ein sehr aufwühlendes, intelligentes und emotionales Buch.
Das Layout trug zum Erfolg dieses Buches bei.
Das Buch besteht aus 8 Episoden.
Der erste Teil jeder Episode ist die Vorstellung des Interviewten und seine Erlebnisse im 3. Reich und im 2. Weltkrieg.
Dann wird  eine Szene des Interview zeichnerisch mit Comicelementen  dargestellt. Als letzten Teil werden Fakten, Hintergründe und Informationen zu diesem Bericht sachlich und in einer angenehmen Sprache  dem Leser angeboten.

Das Buch ist meines Erachtens ein Glücksfall.
Für viele Leser ist die permanente Auseinandersetzung mit den Geschehnissen von 1933 - 1945 mittlerweile etwas langweilig und auch etwas mühsam. Sehr selten gewinnt man neue Erkenntnisse, ständige Wiederholungen des Geschehens ermüden.
Und dann kommt dieses Buch.
Sehr intensive persönliche Erlebnisse werden in einem Comic dargeboten. Eine Form, die viele Menschen anspricht, die in unsere Zeit passt. Dazu ist es Markus Freise gelungen, mit sehr ansprechenden und emotionalen Bildern den Schrecken zu zeigen. Seine Bilder zeigen deutlich die Wahrheit des Momentes, den die Interviewpartner durchleiden mussten.
Der Leser wird durch die Bilder in eine Welt hineingezogen, die auch bei ausgeprägter Fantasie durch Worte allein nicht nachvollziehbar ist. Aber durch die Unterstützung der BIlder kommt der Leser der Wahrheit näher, zudem erfährt der Leser auch Neues.
Nachdem man im ersten Teil der Episode die Person kennengelernt hat, durch die Bilder einen Zugang zu ihren Erlebnissen bekommen hat, kann man sich im dritten Teil der Episode informieren. Die Hintergründe, die politische Situation, die Fortsetzung und Konsequenzen und vieles mehr werden durch Quellentexte, Fotos und recherchierte Texte gezeigt. Die Sprache ist meist sachlich, gut geschrieben und auch gut zu lesen. Mir hat der dritte Teil gut gefallen, weil ich die Informationen sehr interessant fand.

Dieses Buch sollte man im Geschichtsunterricht einsetzen, denn meiner Erfahrung nach sind diese Art von Darbietungen schülergerecht. Wir haben es an einer Schule ausprobiert und hatten einen großen Erfolg. Drei Dinge sind mir dabei besonders aufgefallen:
1) Die Schüler wollten mehr als die beiden angebotenen Episoden lesen.
2) Die Schüler waren von 3 Geschichten emotional sehr berührt und konnten über eigene Gewalterfahrungen berichten und

3) Die Schüler waren sehr schnell in der Lage die heutige Zeit mit der damaligen zu vergleichen (z.B. Syrienkrieg) und zeigten ihr Unverständnis über die Kriege und den Terror der heutigen Zeit.

Gut wäre es, das Buch an Schulen vorzustellen und in den Schulbuchkatalog aufzunehmen zu lassen.

Ich jedenfalls bin sehr froh, dieses Buch kennengelernt zu haben. Es darf sogar in mein Lieblingsbuchregal einziehen, dass ist in den letzten 3 Jahren nur 2 Büchern gelungen ist. Also ganz klar, für dieses Buch eine große Ehre.
Eine Ehre war es für mich, dieses Buch zu lesen, es zu unterstützen, dass es in den Schulen ankommt. Und ich möchte den beiden Autoren gratulieren, dass sie den Mut hatten, Geschichte, notwendige Geschichte einmal anders zu präsentieren. 

Das Buch erhält von mir 10 Sterne, wobei leider nur 5 zu sehen sind.