Rezension

berührend, beklemmend - tolle Umsetzung

Großväterland - Markus Freise, Christian Hardinghaus

Großväterland
von Markus Freise Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Anhand von acht Augenzeugenberichten werden, stellvertretend für die hunderttausenden Menschen, die den Zweiten Weltkrieg miterlebt haben, Blitzlichter der Erinnerung erzählt.  

Zu jeder Episode wird, neben der persönlichen (Kriegs)Geschichte auch der historische Kontext dargeboten. Fotos, Zitate und Querverbindungen ergänzen sie sehr, sehr persönlichen Eindrücke der Interviewpartner.

Der Aufbau jeder Geschichte ist schön strukturiert:

  1. Das Cover der Geschichte, ein Aquarell des Hauptdarstellers, das ein wenig die Härte nimmt
  2. Ein kurzes Curriculum
  3. Die zeichnerische Umsetzung des Erlebten
  4. Ein kurzes „was dann geschah“
  5. Historische Hintergründe mit Fotos aus der Zeit

Die Zeitzeugen wurden von Hardinghaus persönlich aufgesucht und interviewt.

Das Medium „Graphic Novel“ war für mich neu und ich gestehe, dass ich gemischte Gefühle dazu hatte. Die beiden Autoren haben dann meine Bedenken in Windeseile zerstreut. Die Zeichnungen sind knapp und manchmal beunruhigend. Ich finde sie – vor allem bei den Porträts zu Beginn jeder Episode – gut gelungen. Ich kann, obwohl ich die Protagonisten nicht persönlich kenne, eine Beziehung zu ihnen aufbauen.

Mich haben die scheinbar einfachen Zeichnungen fasziniert. Das Spiel mit hartem Strich und leuchtendem Schatten, die winzig kleinen Pupillen und das hervorstechende Weiß der Augäpfel spiegeln für mich das Grauen, das die Zeitzeugen erlebt haben gut wieder.

Wigands Schicksal hat mich am meisten berührt. Er war ja der Hölle von Stalingrad schon einmal entkommen und ist wieder zurückgekehrt. Besonders plakativ und ohne viel Worte ist die Gegenüberstellung der beiden Jahrgangsfotos. Abitur 1941 (21 Männer) und Absolvententreffen 1966 (9 Teilnehmer). Da fehlen einfach zwölf und mindestens einer ist Invalide.

In seinem Eingangsstatement hat Christian Hardinghaus erwähnt, dass er dieses Buch gerne jenen Menschen an Herz legen möchte, die wenig lesen und daher kaum Zugang zu Geschichte haben. Mit dem Medium Gaphic Novel kann das durchaus gelingen. Das Buch sollte unbedingt als Ergänzung zum Geschichteunterricht in Schulen verwendet werden. Die Erlebnisse der Soldaten und Menschen in der Heimat treten oft zugunsten des Gedenkens an die Verfolgten in den Hintergrund. Ich finde, ihre Geschichte(n) sollte auch erzählt werden, denn „nicht alle waren Mörder“ (copyright Michael Degen).  

Fazit:

Historiker Christian Hardinghaus und Illustrator Markus Freise haben mit dieser Graphic Novel ein berührendes Buch über Ereignisse im Zweiten Weltkrieg geschaffen. Ich gebe fünf Sterne und werde das Buch gerne weiterempfehlen.