Rezension

Beeindruckend und beängstigend

Der Gang vor die Hunde - Erich Kästner

Der Gang vor die Hunde
von Erich Kästner

Bewertet mit 4.5 Sternen

Eine Sammlung von Karikaturen in Worten

Kästner ist wohl jedem ein Begriff, der in einem deutschsprachigen Land zur Schule gegangen ist. „Emil und die Detektive“, „Das doppelte Lottchen“, oder „Das fliegende Klassenzimmer“ sind sowohl als Lektüre als auch als Kinderfilm aus der deutschen Kinder- und Jugendkultur nicht mehr wegzudenken. Kästner als Autor für Erwachsene war mir völlig unbekannt, bevor ich „Der Gang vor die Hunde“ gelesen habe.

In diesem Buch stellt Kästner aus der Sicht des Germanisten Jacob Fabian das Leben in der Weimarer Republik auf stark übertriebene Weise dar. Das Buch, das eigentlich keine Handlung erzählt, sondern vielmehr Momentaufnahmen in unterschiedlichen Milieus darstellt, fühlt sich an, wie eine Sammlung von opulent überzeichneten Karikaturen, wie man sie aus der Weimarer Republik kennt. Es geht um Freundschaft, Liebe, Enttäuschung, Sinnlosigkeit und vieles mehr. Der Gang vor die Hunde ist stark gekürzt als „Fabian – Die Geschichte eines Moralisten“ im Jahr 1931 erschienen. Bei der Lektüre wird einem sehr schnell klar, warum sehr viel gekürzt werden musste. Die Welt war einfach noch nicht reif für dieses Buch. Kästners trockene Ausdrucksweise lässt so manche Liebes- beziehungsweise Sexszene als recht derbe erscheinen. Das Buch muss als entartete Literatur so was von gebrannt haben, bei der Bücherverbrennung im Jahre 1933.

Kästner wollte mit diesem Buch warnen. Er hat gespürt, dass sich die Welt um ihn herum nach dem ersten Weltkrieg nicht weiter erholt, sondern sich auf einen Abgrund zu bewegt. Mit dem heutigen Wissen stockt einem immer wieder der Atem aufgrund Kästners Weitblick. Dennoch meine ich zu spüren, dass sich die Geschichte noch weitaus brutaler entwickelt hat, als er es befürchtet hat. Wie muss er sich rückblickend gefühlt haben, als alle seine Warnungen in den Wind geschlagen wurden und nach 1945 Deutschland in einem noch viel schlimmeren Trümmerland lag, als zu Zeiten des Fabian nach dem ersten Weltkrieg.

„Der Gang vor die Hunde“ lässt sich aufgrund der einfachen, sachlichen Sprache sehr zügig lesen. Vom Inhalt her beschäftigte mich das Buch sehr, obwohl keine spannende Handlung erzählt wird. Die einzelnen Kapitel, die für mich eher Bilder darstellen, können auch isoliert gelesen werden. Ich kann mir gut vorstellen, dass ich mir im Laufe der Jahre das eine oder andere Bild noch mal vergegenwärtigen werde.

Im Anhang sind einige Nachworte von Kästner abgedruckt, die er zu den verschiedenen Fassungen und zu verschiedenen Zeiten verfasst hat. Ebenfalls sind detaillierte Informationen über die einzelnen Änderungen im Vergleich zu den früheren Ausgaben aufgeführt, so dass man mit der alten Fabian Ausgabe vergleichen kann. Mit „Der Gang vor die Hunde“ hat man das Werk so vor sich, wie Kästner seinen Fabian haben wollte.

Literaturgeschichtlich ein sehr interessantes Werk. Und was kann man für das tägliche Leben im Jahre 2013 daraus lernen………..damit möchte ich mich im Moment lieber nicht ausführlicher befassen. Es macht mir angesichts der Sexualisierung und Verrohung unserer Gesellschaft, die ungleich schlimmer ist, als es in der Weimarer Republik der Fall war, einfach nur Angst, was kommen könnte. Ich höre Kästners Warnung und mache vorerst die Augen zu.