Rezension

Beeindruckend und lebensnah schildert der Roman zwei Frauenschicksale

Zwei Handvoll Leben - Katharina Fuchs

Zwei Handvoll Leben
von Katharina Fuchs

Bewertet mit 5 Sternen

Deutschland 1914. Anna lebt mit ihrer Familie im Spreewald. Viel kann sich die Familie nicht leisten, aber ihre Mutter ermöglicht Anna eine Lehre zur Schneiderin. Charlotte ist die einzige Tochter eines sächsischen Gutsherren. Eines Tages wird sie den landwirtschaftlichen Besitz erben. Beide Mädchen stehen an der Schwelle des Erwachsenwerdens. Beide begegnen ihrer ersten, großen Liebe, bevor der Erste Weltkrieg ausbricht. Beide erleben die Veränderungen, die der Krieg und der darauffolgende Frieden mit sich bringt. Bei beiden verläuft das Leben anders, als sie es sich erträumt haben. Dennoch lassen sich weder Anna noch Charlotte davon nicht entmutigen und gehen in Zeiten der Unsicherheit und des Wandels konsequent ihren Weg.

Nach ihrer Schneiderlehre verlässt Anna 1919 ihre Familie und fährt nach Berlin, um dort Arbeit zu finden. Als das Berliner KaDeWe Verkäuferinnen sucht, ergreift sie ihre Chance. Anna kann durch ihr Wissen als Schneiderin überzeugen und bekommt die begehrte Stelle. Für Anna ist es der Beginn einer ungewöhnlichen beruflichen Karriere in diesen Zeiten.

Charlotte hat während des Krieges tatkräftig auf dem landwirtschaftlichen Gut mit angepackt. Nun wird es für ihren Vater Zeit, dass Charlotte sich nach einem geeigneten Ehemann umsieht. Ihre Tante lebt mit ihrem Mann Salomon und der gemeinsamen Tochter in Leipzig. Dort wird Charlotte in die Gesellschaft eingeführt. Da sie sich von ihrer großen Liebe betrogen fühlt, lässt sie sich von anderen, jungen Männern den Hof machen. Charlotte ist bewusste, es gilt nicht nur die richtige Entscheidung für sich selbst, sondern für die Zukunft des Gutes zu treffen.

Anna und Charlotte wachsen völlig unterschiedlich auf, doch beide verbindet die erste unerfüllte Liebe, die Liebe zu ihren Familien und allem voran ihr starker Wille das Leben bestmöglich zu meistern. Der Roman beschreibt abwechselnd je Kapitel den Lebensweg der beiden Frauen, der durch die bewegte Zeit des 20. Jahrhunderts führt. Diese Erzählweise macht es dem Leser leicht, beiden Geschichten parallel zu folgen. So wie die Zeiten sind auch die Leben von Charlotte und Anna durch Hoffnung, Angst, Entbehrungen und dem Leben das Beste abzutrotzen geprägt.

Die Erzählung beginnt kurz vor dem Ersten Weltkrieg und endet 1953, als Charlotte und Anna bei der Heirat ihrer Kinder aufeinandertreffen. Die Handlung des Romans ist aus der Perspektive der Frauen geschrieben. Neben den Hauptcharakteren Anna und Charlotte gibt es noch weitere, wie beispielsweise Charlottes Cousine Edith oder Annas Freundin Ella. Alle Frauenfiguren sind hervorragend beschrieben. Es macht große Freude ihre Entwicklungen zu verfolgen. Jedoch stimmen ihre Geschichten nachdenklich, angesichts des ständigen Kampfes, um zu erhalten, was sie sich aufgebaut haben.

Das Buch beruht auf der wahren Familiengeschichte der Autorin Katharina Fuchs, die sich auf die Suche nach der Geschichte ihrer Großmütter begeben hat. Mich hat das Buch gänzlich überzeugt. Ich konnte es nur schwer aus der Hand legen. Nicht nur die Charaktere sind lebensnah, sondern auch die Orte, die Stimmungen sind fast fühlbar in Worte gefasst. Allerdings musste ich die Geschichte eine Zeit wirken lassen, nachdem ich das Buch gelesen und zugeklappt hatte. Es zeigt für mich ein weiteres Mal, wie viel gerade diese Frauengeneration geleistet hat und wie viel Leid die Kriege gebracht haben. Ich halte es für wichtig immer wieder daran zu erinnern. Das Buch ist sehr lesenswert und da sich schon eine Fortsetzung ankündigt, bin ich sehr gespannt und freue mich darauf.