Rezension

Beeindruckende Schilderung

Wild leben! - Nick Baker

Wild leben!
von Nick Baker

Bewertet mit 4 Sternen

»Die Renaturierung ist ein Annehmen der Natur und der Tatsache, dass die Natur es am besten weiß, eine grüne Weisheit, der wahre Wert des Lebens.«

Zurück zur Natur – ein Wunsch, der viele Menschen umtreibt, gerade in der heutigen Zeit, die immer schnelllebiger, immer technisierter wird, in der einem nicht selten die sprichwörtliche Luft zum Atmen fehlt. Auch ich fühlte mich vom Thema dieses Buchs gleich angesprochen.

 

Der Autor ist Biologe und bezeichnet sich selbst als biophil. Schon als Kind fühlte er sich nirgends so wohl wie in der freien Natur, daraus wurde eine tiefe Verbundenheit, die sich durch sein ganzes Leben zog und ihm auch in schweren Zeiten Kraft gab. Seine Erfahrungen möchte er nun mit dem Leser teilen und ihm helfen, sich selbst neu zu finden, sich selbst zu renaturieren.
»Wie denken Sie über die anderen Arten, mit denen Sie Ihren Lebensraum teilen? Bemerken Sie sie überhaupt? Das ist die Art von Renaturierung, um die es in diesem Buch geht. Es geht darum, Sie selbst zu renaturieren, Ihr Leben, Ihre Haltung, Ihren Geist, während Sie Herz und Seele wieder einsetzen – und damit die Entstehung tiefer Zufriedenheit, einer Liebe zu sich selbst, zu anderen Tieren und dem Ort einleiten, den wir Heimat nennen.«

 

Klingt alles gut, aber wie stellt man das an? Alles, was man dazu braucht, schlummert laut Nick Baker schon in uns, wir müssen es nur finden und wecken. Sein Appell an den Leser lautet, sich in die Natur aufzumachen und dort die Sinne zu öffnen. Sehen, Hören, Riechen, Schmecken, Fühlen – ein enormes Potential liegt in uns, ich war erstaunt, zu welchen Leistungen man mit ein wenig Übung in der Lage sein soll. Beispielsweise wird erklärt, dass wir über eine gute Nachtsicht verfügen können (natürlich ohne weitere Beleuchtung ;-)

Jedem dieser Sinne ist ein Abschnitt gewidmet. Wie Baker biologische Fakten mit eigenen Erfahrungen mixt, ist sehr schön zu lesen. Er berichtet von seinen Naturerlebnissen, von Tierbeobachtungen, von seinem Staunen über die Fähigkeiten indigener Völker (im Sinne von Naturvölkern), wie er von ihnen lernte und seine eigenen Sinne schulte. Wie man sich bewegt, spielt dabei auch eine große Rolle, immer wieder geht es aber zentral um Themen wie Achtsamkeit, Stille und Konzentration. Begriffe, die man auch im Zusammenhang mit sämtlichen Entspannungstechniken regelmäßig verwendet.

 

Das alles spricht mich sehr an. Und gerne würde ich wie vorgeschlagen einfach rausgehen und neue Sinneseindrücke sammeln. Leider merke ich nur ständig, dass Baker und ich in völlig verschiedenen Welten leben. Ich habe nicht mal einen Garten und um zum nächsten Park zu gelangen, muss ich mich erst mal ins Auto schwingen und eine halbe Stunde (wenn ich Glück habe) durch verstopfte Straße fahren. Im Park bin ich dann zusammen mit vielen, vielen anderen Menschen, die genau wie ich auf der Suche nach ein bisschen Grün sind. Leider ist die Anwesenheit anderer Menschen schon allein ein Punkt, auf den bei vielen der Sinnesübungen möglichst verzichtet werden soll. Wie soll ich das anstellen? Und woher soll ich die viele Zeit nehmen, die ich für die Übungen benötige?

Ganz ehrlich: In meinem vollgestopften Alltag, mit Doppelt- und Dreifachbelastung, fühle ich mich ein wenig unverstanden und alleingelassen. Mir fehlen kleine Ansätze, die ich in meinen Alltag einbauen kann. Ich würde ja auch gerne durch einsame Natur streifen, ich liebe sie, ich liebe Tiere, aber wenn hier nun mal keine ist (was sicher bedauerlich ist), muss ich auf den erreichbaren Park zurückgreifen, auch wenn er immer voller Menschen ist. Und mit den neuen Sinneseindrücken bis zum nächsten Urlaub warten.

 

Fazit: Beeindruckende Schilderungen, sehr schön zu lesen und sicher nachahmenswert. Leider fehlen mir persönlich kleine alltagstaugliche Ansätze. Wer günstiger wohnt und mehr Zeit hat, kann die Tipps sicher besser umsetzen.