Rezension

Beeindruckender historischer Roman

Der Löwe des Kaisers - Der Aufstieg
von Cornelia Kempf

Bewertet mit 5 Sternen

„...In seinen Leben schien es keinen Platz für Warmherzigkeit, Mitgefühl oder Rücksicht zu geben...“

 

Wir schreiben das Jahr 1152. Die 15jährigen Zwillinge Einhard und Gunnar werden auf Wallberg von Otto von Haberlingen ausgebildet. Die beiden versuchen, sich oft den strengen Regiment ihres Ausbilders zu entziehen. Außerdem tauschen sie gern ihre Rollen, denn kaum jemand kann sie auseinanderhalten.

Die Autorin hat einen spannenden; abwechslungsreichen und beeindruckenden Roman geschrieben. Die Geschichte lässt sich flott lesen und hat mich schnell in ihren Bann gezogen.

Die Protagonisten werden gut charakterisiert. Trotz gleichen Aussehens haben Einhard und Gunnar unterschiedliche Charaktere. Einhard ist der Stillere von beiden. Er wirkt nachdenklich und pflichtbewusst. Gunnar neigt zu Übermut. Außerdem redet er erst, bevor er denkt. Auch ihre Begabungen sind verschieden. Während Einhard ein exzellenter Reiter ist, besticht Gunnar durch seine Treffsicherheit. Doch die Zwillinge bilden nur den Kontext für den geschichtlichen Hintergrund. Auch dort stehen zwei Männer im Mittelpunkt: Friedrich Barbarossa und Heinrich der Löwe, Herzog von Sachsen und Bayern. Letztere wird als beeindruckende Persönlichkeit beschrieben, die Macht und Herrschaftsbewusstsein ausstrahlt. Das Verhältnis zwischen den beiden Männern ist allerdings nicht nur eitel Sonnenschein.

Der Schriftstil des Buches hat mir sehr gut gefallen. Land und Leute werden ausführlich beschrieben. Die Lebensverhältnisse auf der Burg werden allseitig beleuchtet. Die Autorin versteht es, das historische Geschehen gekonnt in die Lebensgeschichte der Zwillinge einzubauen. Fast wie nebenbei erfährt man von den Ränkespielen des Adels. Die Grundidee, dass Gunnar zu einem Lehnsmann des Kaisers wird und Einhard dem Herzog dient, sorgt dafür, dass die Geschichte von beiden Seiten aus betrachtet wird. Der dadurch mögliche häufige Wechsel der Handlungsorte hält die Spannung hoch und sorgt für Abwechslung. Im Roman wird auf großes Schlachtgetümmel verzichtet. Wenige Andeutungen von Einhard oder Gunnar, je nachdem, ob es gegen die Lombarden oder die Slawen ging, lassen das Grauen des Krieges deutlich werden. Die letzten Worte, die Einhard mit seinem sterbenden ältesten Bruder Wolfram wechselt und die Bitterkeit, die aus Marias Worten spricht, als sie Gunnar in Mailand, das zur Plünderung freigegeben wurde, unerwartet gegenübersteht, sind zwei berührende Szenen, die für die Sinnlosigkeit von Kriegen stehen. Nach und nach führt die Autorin die Zwillinge zu der Erkenntnis, dass sowohl Friedrich als auch Heinrich Männer mit Schwächen sind und dass ihr Machtstreben ihr Handeln bestimmt. Obiges Zitat ist Einhards daraufhin folgende Aussage über Heinrich. Sehr gut dargestellt werden die Emotionen der Protagonisten. Einhards Trauer und Wut, Gunnars zeitweilige Zügellosigkeit, Heinrichs Anmaßung sind Beispiele dafür. Nicht nur Worte, sondern das Handeln der Personen beschreibt ihren Gemütszustand. Nebenbei versteckt die Autorin viele kleine Geschichten in dem eigentlichen Geschehen. Ich denke insbesondere an das Schicksal von Ute, einer Magd auf Wallberg. Viel gäbe es noch zu sagen über die Frauen in der Geschichte. Das aber würde den Rahmen der Rezension sprengen. Gut gefallen hat mir bei diesem Thema aber, dass aufgezeigt wurde, welche Verantwortung die Frauen zu tragen hatten, wenn die Männer wieder einmal unterwegs waren, um sich die Köpfe einzuschlagen. Die Autorin versteht den Umgang mit Metaphern und die Gestaltung aussagekräftiger Dialoge. Die oft humorvollen Szenen mit den 15jährigen Zwillingen weichen schnell dem Ernst des Lebens. Trotzdem hat mir auch später noch nicht nur Gunnars lockeres Mundwerk ein Lächeln auf die Lippen gezaubert. Charakterlich allerdings steht mir Einhard mit seinem ernsten und vernunftbetonten Wesen näher.

Ein ausführliches Personenregister, ein Glossar, ein kurzes Nachwort der Autorin und ein Ausschnitt von Teil 2 vervollständigen den Roman.

Das Cover mit dem Ritterheer passt zur Handlung.

Der Roman hat mir ausgezeichnet gefallen. In einer fesselnden Handlung mit sympathischen Protagonisten wurde mir ein Stück Geschichte näher gebracht.