Rezension

Beeindruckendes, berührendes, nachwirkendes Debüt

Kronsnest -

Kronsnest
von Florian Knöppler

Bewertet mit 4 Sternen

REZENSION – Eigentlich geschieht nicht sonderlich viel in „Kronsnest“, dem atmosphärisch und stilistisch eindrucksvollen Romandebüt von Florian Knöppler (55), das der Pendragon Verlag im Februar veröffentlichte. Doch selbst das Wenige weiß der gelernte Journalist in eindringlicher Erzählweise spannend wirken zu lassen. Die weltweite Agrarkrise der Jahre 1927/1928 mit ihren wirtschaftlichen Auswirkungen und die sich andeutende Radikalisierung der Weimarer Politik sind die dunklen Wolken über diesem gleichnamigen holsteinischen Dörfchen nahe Elmshorn an der Krückau, einem Zufluss der Elbe. Wirtschaftlicher Niedergang bestimmt den bedrückenden und arbeitsreichen Alltag der dort lebenden Kleinbauern und Handwerker. Wir erleben den Jahresverlauf aus Sicht einiger Jugendlicher im Wandel von Schülern zu Erwachsenen – allen voran Hannes, Sohn und Erbe eines gewalttätigen, vom Weltkriegseinsatz gezeichneten Kleinbauern.

In der Dorfschule wird der 15-Jährige oft von Mitschülern gemobbt, nachmittags schuftet er auf dem ärmlichen Hof, den er einmal vom Vater übernehmen soll. Doch wie wohl alle Alterskameraden träumen er und sein Freund Thies vom Auswandern nach Amerika – irgendwann, wenn sie erwachsen sind. Doch im Grunde weiß Hannes genau, dass sein Schicksal in Kronsnest vorbestimmt ist. Von seinem Vater, dem er es nie recht machen kann, hat er das bäuerliche Handwerk inzwischen gut gelernt und beginnt, eigenständig auf dem Hof zu arbeiten. Doch charakterlich gleicht er seiner Mutter, ist ein sensibler und intelligenter Junge, gutmütig und hilfsbereit. Einen Ausgleich zur Landwirtschaft, eine Zuflucht in eine bessere Welt findet er in Büchern und bei Mara, der Tochter des Großbauern von Heesen.

Nach seinem Hauptschulabschluss muss Hannes – der Vater ist gestorben – den Hof allein führen. Von der Politik hält er sich fern, obwohl dadurch die Freundschaft mit Thies zerbricht, der sich den Nazis anschließt, die sich in Holstein stark ausbreiten. Ein anderer Kumpel, Hobe, der als Knecht arbeitet, ist bei den Kommunisten, die sich mit den Braunhemden, obwohl einstige Schulkameraden, jetzt Straßenschlachten liefern.

Die wachsende Konfrontation zwischen Braun und Rot, die letztlich zum Untergang der Weimarer Republik führen wird, deutet Knöppler in seinem Roman nur an. Wichtiger sind ihm die psychischen Auswirkungen der sich verändernden Welt auf seine Protagonisten. Da ist der Großbauer von Heesen, der als gelernter Kaufmann nichts von Landwirtschaft versteht und jetzt bankrott geht. Er gibt nicht nur den Hof, sondern sich selbst auf, zumal er Opfer von Nazi-Angriffen wird. Seine Tochter Mara, eigentlich lebenslustig und voller Phantasie, verfällt immer öfter in Depression. Hannes zieht sich immer mehr in die innere Emigration zurück und muss nach dem Tod des Vaters jetzt um seine Mutter fürchten, die an Selbstmord denkt. Freundschaften und Liebschaften unter den jungen Leuten zerbrechen, weil sie dem Druck von außen nicht standhalten können.

In seiner atmosphärischen Dichte – tief dringen wir in die Gefühls- und Gedankenwelt der Hauptfiguren ein – gleicht „Kronsnest“ einem Psycho-Roman: Wir leben, lieben und leiden mit Hannes, Mara und anderen. Die klare, schnörkellose und unaufgeregte Erzählweise des Autors, der selbst in einem solchen holsteinischen Dorf lebt, macht alles realistischer und dadurch noch wirkungsvoller. Trotz vieler Detailbeschreibungen des von der Weltpolitik gebeutelten kleinbäuerlichen Lebens im Krisenjahr 1928 bleibt es an anderen Stellen im Roman bei Andeutungen, die uns Lesern Raum bieten, gedanklich in das Gelesene tiefer einzudringen. „Kronsnest“ ist ein beeindruckendes, berührendes, nachwirkendes Debüt und weit mehr als ein historischer Heimatroman.