Rezension

Beeindruckendes Gedankenexperiment

Krieg - Janne Teller

Krieg
von Janne Teller

Krieg - sicherlich unschön, trifft aber immer nur die Anderen, also ist Krieg für die meisten Europäer heute ein (notwendiges?) Übel, das man mal gebannt, mal schockiert, mal sensationslüstern (obwohl man das nie zugeben würde) per Fernseher oder Zeitung konsumiert. Janne Teller regt den Leser zu einem, eindrücklichen, Gedankenexperiment an: Stell Dir vor es ist Krieg, nicht im Irak, Afghanistan oder sonstwo in der "Dritten Welt", sondern direkt vor der Haustür, in Deutschland und Europa.

"Krieg" handelt von einem Jungen der mit seiner Familie im Keller des zerstörten Elternhauses leben muss. Während der Bruder im Krieg, die Schwester verletzt und die Mutter, krankheitsbedingt, dem Tode nahe ist, versucht der Vater, mit Hilfe von Schleusern, die Flucht in den Nahen Osten, wo kein Krieg herrscht und man auf ein Leben in Sicherheit hoffen kann, vorzubereiten. Doch im vermeintlich gelobten Land angekommen, muss die Familie feststellen, dass sie dort Menschen zweiter Klasse sind - Eindringlinge mit einem Glauben, der per se Verdacht erregt. Jahre müssen im (Auffang-)Lager verbracht werden, jeder Tag ist ein Kampf ums Überleben und man ist ständig von Abschiebung bedroht.

Kommt einem bekannt vor? Nur irgendwie verkehrt herum? Mit schlichten Worten stellt die Autorin in diesem Buch das Schicksal vieler Asylsuchender in Europa dar. Der Perspektivwechsel gelingt, mMn, sehr gut und regt den Leser zum Nachdenken und Reflektieren über sich selbst und "die Anderen" an. Also liebe deutsche Bürger, bevor ihr das nächste Mal wieder gegen ein Asylantenheim demonstrieren geht (weil ja alle Asylanten Sozialschmarotzer sind und durch sie per se die Kriminalität steigt), lest lieber dieses Buch - aber wahrscheinlich werdet ihr geschichtsvergessenen Heuchler "Krieg" gar nicht verstehen...Es lebt sich ja so einfach und selbstzufrieden, wenn man ein klares Feindbild hat, nicht wahr?

Fazit: Beeindruckendes Gedankenexperiment.

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 07. Dezember 2013 um 22:28

Danke für den Tipp - ich schätze es, die Perspektive des anderen einzunehmen und käme nie auf die Idee, gegen Heime mit Asylsuchenden zu demonstrieren.

Steve Kaminski kommentierte am 07. Dezember 2013 um 22:32

PS: Ist ja nicht so umfangreich, ich hab's mit gleich mal bestellt.