Rezension

Wie erginge es Ihnen als deutscher Flüchtling in einem anderen Land?

Krieg - Janne Teller

Krieg
von Janne Teller

Bewertet mit 5 Sternen

Janne Tellers Essay »Krieg. Stell dir vor, er wäre hier« ist ein kurzer Text, als Taschenbuch – samt Nachwort – 57 Seiten lang, mit vielen Illustrationen. In einer halben Stunde hat man ihn gelesen, er lässt sich also leicht bei der sonstigen Lektüre dazwischenschieben.

»Krieg« wurde 2001 geschrieben, »als die Flüchtlingsdebatte in Dänemark zwei unserer in Europa höchstgepriesenen Grundsätze der philosophischen und sogar christlichen Ethik zunächst zu vergessen schien: Alle Menschen wurden gleich geschaffen und Behandle die Menschen so, wie du selbst von ihnen behandelt werden willst. So die Autorin im Nachwort von 2010 für die deutsche Ausgabe, in welcher der ursprüngliche Text, bezogen auf Deutschland, angepasst wurde.

Das Buch beschreibt eine Situation, in der in Deutschland Krieg herrscht und Deutsche, um ohne Angst und in Sicherheit leben zu können, in die arabischen Länder fliehen – die nächstgelegene friedliche Gegend in der Welt. Sie stoßen dort auf die Vorbehalte und Abwehr, mit der bei uns Menschen aus Kriegs- und Krisengebieten konfrontiert sind. Sind es wirklich politische Flüchtlinge, die von Deutschland nach Ägypten kommen (oder geht es »nur« darum, dass sie angesichts der Bedrohung durch Waffen, der Nahrungsknappheit, der schlechten medizinischen Versorgung überleben wollen?), stören sie als Fremde nicht unsere ägyptische Kultur, welchen Beitrag können sie schon zu unserem Staatswesen leisten – sie, die in Konkurrenz zu unseren Arbeitskräften treten?

Das Buch ist eine Einladung, sich zu vergegenwärtigen, wie es Flüchtlingen und Asylsuchenden in Deutschland ergeht – indem es die Vorstellung entwirft, wie es sein könnte, wenn wir in die Situation heutiger Flüchtlinge geraten.

Erinnern wir uns: Vor 80 bis 90 Jahren konnten viele von uns Deutschen, z. B. jüdische Deutsche, politisch Oppositionelle, nur überleben, wenn sie flohen und Exilländer fanden. So lange ist es also noch nicht her, dass Bürger unseres Landes diese Erfahrung gemacht haben.

Das sehr gut lesbare Buch ist hochaktuell – angesichts von Protesten gegen Asylsuchende und der Flucht von Menschen aufgrund von Krieg und Armut in ihrer Heimat, angesichts der Toten vor Lampedusa sowie der Tatsache, dass für gerade einmal 10.000 Menschen aus Syrien Platz in Deutschland sein soll.

Auch uns könnte es eines Tages wieder passieren, dass wir in einem anderen Land »zu viel« sind.