Rezension

Beeindruckendes Plädoyer für gleichberechtigte Kommunikation

Sprache und Sein - Kübra Gümüsay

Sprache und Sein
von Kübra Gümüsay

Bewertet mit 4 Sternen

Im Zentrum von Kübra Gümüsays erstem Buch steht die Frage, welche Macht die Sprache hat, wie unsere Wahrnehmung und unser Sein von ihr abhängen. Wie Sprache uns die Welt öffnet, aber gleichzeitig auch eine Waffe sein kann. Wie sie den politischen Diskurs prägt. Kübra Gümüsay betrachtet Begrifflichkeiten und Kategorien und wie Menschen durch diese Stereotype gefangen sein können, wie in einem Käfig. "Der Flüchtling" oder "die Kopftuchträgerin" werden dann nicht mehr als Individuum wahrgenommen, sondern als Vertreter einer Menschengruppe oder als Pressesprecherin einer Religion. Sie erzählt aus ihrer eigenen Perspektive als Muslimin, feministisch und kopftuchtragend, und was beim Lesen besonders hängen bleibt, ist die Erfahrung von Menschen, die als "Andere" wahrgenommen werden, dass ihr Handeln nicht als ausschließlich ihr eigenes wahrgenommen wird, sondern dass ihr Soundso-Sein zuallererst als ein Beispiel für eine Menschengruppe gilt. 

 

Nach und nach verlässt sie im Verlauf des Buches das engere Thema der Sprache und widmet sich der gesellschaftlichen Debatte rund um Rassismus und Diskriminierung. Hier hätte es mir beim Lesen geholfen, wenn dieser Schwerpunkt von Vornherein klarer herausgestellt worden wäre, sodass die Richtung beim Lesen klarer gewesen wäre. Denn der gesellschaftliche Diskurs ist natürlich auch sprachlich vermittelt, sie fasst das Thema hier allerdings noch wesentlich weiter, geht auf die öffentliche Darstellung ein, auf die Verantwortung von Politik und Medien, auf Handlungsmöglichkeiten derjenigen Menschen, die eine Menschengruppe repräsentieren sollen. Auf die Agenda der Rechten und welches Ziel sie selbst vor Augen hat, wie ein "freies Sprechen" aussehen kann. Für mich insgesamt weniger eine Analyse der Architektur der Sprache, sondern vielmehr ein starkes Plädoyer für eine gleichberechtigte, gesellschaftliche Kommunikation.

 

Kübra Gümüsay schreibt dabei für mein Empfinden aber nicht angreifend, sondern aufklärend. Ruhig, klug, kritisch, wortgewandt. Sie bringt Beispiele aus ihrem Leben an, geht aber auch auf Studien zum Thema ein und zitiert unheimlich viele Menschen, die ebenfalls gegen eine Form der Diskriminierung kämpfen (neue Buchwunschliste für mich inklusive). Für mich ein sehr lesenswertes Buch, eine spannende Perspektive und ein wichtiger Beitrag auf der Suche nach Gleichberechtigung.