Rezension

Berührend

Warum wir noch hier sind -

Warum wir noch hier sind
von Marlen Pelny

Bewertet mit 4.5 Sternen

Alles ist anders, nachdem die vierzehnjährige Etty ermordet wurde. In der Zeit danach erhält die Mutter Unterstützung von ihren beiden besten Freundinnen, von denen eine die Protagonistin ist. Keine der drei Frauen kann fassen, was da geschehen ist, unter dem Busch direkt vor dem Wohnhaus des Mädchens. Unbeweglich in der Starre des Schocks und nicht dazu in der Lage, das Geschehene zu begreifen, dreht sich die Welt um sie herum einfach weiter - als sei nichts geschehen, als habe da nicht gerade jemand ihre Etty ermordet, dieses kluge, lustige, junge Mädchen, das niemandem etwas getan hatte und das einfach nur zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Pelnys Roman thematisiert die alles umfassende Taubheit, die sich nach dem gewaltsamen Mord wie eine schwere, undurchdringliche Decke über die Protagonistin und die anderen beiden Frauen legt. Die Wunde ist noch frisch, Trauer und Ungauben beherrschen den Tagesablauf, und doch wird ihnen keine Ruhe gegönnt: Da ist der ganze Papierkram, der erledigt werden muss, die Formulare und die ganzen Abmeldungen, die Beerdigung, die geplant werden muss. Und da sind auch die zusehends pflegebedürftige Großmutter der Protagonistin, um die sie sich kümmern muss, und der Job bei "Bauer sucht Frau", für den die ein oder andere Fahrt aufs Land ansteht.
Trauer, Angst und Wut sind allgegenwärtig und werden sehr feinfühlig und bewegend beschrieben in diesem schmalen Roman. Der Umgang mit dem Tod nahestehender Menschen steht ebenso sehr im Fokus wie die Gewalt an Frauen und Mädchen und die Pflege von Angehörigen. Kein Wunder also, dass das alles recht nahegehend ist bei diesen Themen. Pelny gelingt es dennoch immer wieder, humorvolle und wärmende Momente in die Geschichte miteinzubauen und so neben Verlust und Schmerz auch ein Gefühl von Zusammenhalt zu vermitteln, von Freundschaft und Familienbanden, das immer wieder Kraft spendet.

"Warum wir noch hier sind" ist ein emotionaler, berührender, authentischer Roman und sicher nicht zu jedem Zeitpunkt für jede*n etwas. Trotzdem gibt es eine klare Leseempfehlung von mir.