Rezension

Berührendes Statement für LGBTQIA+

Pageboy -

Pageboy
von Elliot Page

Bewertet mit 5 Sternen

"Wir alle gehen unsere eigenen verschlungenen Wege ..." (Zitat, Danksagung, Seite 32), ich bin dankbar, dass ich diesen miterleben durfte. Es war ein Sichtbar-Werden von brutalen gesellschaftlichen Voraussetzungen und allem Unsichtbar-Machen durch die heteronormativen Gesellschaft. Ein Dickicht aus Machtstrukturen, dass kaum Luft zum Atmen lässt.

Die Geschichte war alles andere als leicht zu lesen. Dies entsprang nicht der Sprache, sondern der Struktur, in der niemals chronologisch erzählt wird, mehr ein vielschichtiger Prozess, bei dem immer wieder Parallelen und Bezüge von frühen und späteren Erfahrungen aufgezeigt werden. Es verlangt einiges an Orientierungsarbeit, ob der Zeitsprünge und der vielen Menschen, die auf den Prozess einwirken - und doch fließen die Szenen zu einem vollständigen Bild zusammen.

Das Buch ist ehrlich und schonungslos. Ich bin erschüttert, Situationen voller Selbst-Ablehnung, Missbrauch, Homo- und Transphobie und immer wieder sexualisierter Gewalt beizuwohnen - ein stummes Ertragen von gesellschaftlicher und familiärer Gewalt, vor der alle die Augen verschließen. Ein individueller Erfahrungsweg und trotzdem beispielhaft.

Besonders die Erfahrungen im Kind- und Jugendalter waren für mich schwierig. Doch um so wichtiger, dass sie gesehen und gehört werden. Dysfunktionale Beziehungsmuster, ein Unsichtbarwerden des eigenen Ichs, um gesehen, geliebt zu werden und dann der lange Weg zurück zum Ich - das Lernen des Annehmens.

Ich habe selbst missbräuchliche, grenzüberschreitende Situationen in Abhängigkeitsverhältnissen erlebt, in denen Verstummen Zustimmung war, in denen der Körper funktioniert und der Geist heraustritt, um nicht fühlen zu müssen, in dem es keine Sprache gab für Geschehenes - und um später mit der Scham, der Hilflosigkeit allein zu sein. Diese starke Konzentration darauf in diesem Buch, holt vieles wieder hervor. Da sollte jeder gut auf sich achten. Gut, dass ich für die damalige Aufarbeitung Hilfe hatte .

Doch es gibt auch Hoffnung und Mutmachen. Durchhalten lohnt sich, es gibt manches Mal Unterstützung an Stellen, an denen wir sie nicht vermuten, und welch eine Erlösung der Befreiung des Ichs trotz aller Widrigkeiten beizuwohnen.

Ein Buch, aus dem die Forderung nach geschützen Räumen und Überwachung von Machtmissbrauch förmlich herausschreit. Es passiert jeden Tag, es passiert um uns herum...Wann hören wir auf uns blind zu stellen? Wann werden wir unsere Sozialisierung aufarbeiten?