Rezension

Bester Psychothriller des Jahres 2021

Schweige still - Michael Robotham

Schweige still
von Michael Robotham

Bewertet mit 5 Sternen

„Good Girl, Bad Girl“ heißt die Originalausgabe von Michael Robothams neustem Thriller: „Schweige still“. Warum die Ausgabe im Deutschen so betitelt ist, vermag sich nur dem Verleger erschließen, mir nicht so sehr.

Es ist das erste Buch, das ich von diesem Erfolgsautor gelesen habe und es war ein absoluter Glücksgriff. Von der ersten bis zur letzten Seite lebt das Buch von einer unglaublichen Emotionalität. Eines der schönsten Bücher das ich in diesem Jahr gelesen habe. In der Entwicklung der beiden Hauptakteure steckt derart viel Potential, das Robotham voll ausschöpft und ich keine Seite missen möchte. Dem ruhigen Erzählungsstil fehlt es nicht an Spannung, hervorragend, fesselnd, manchmal mit einer Prise Humor, am Ende werden die einzelnen Puzzleteile zusammengefügt. Die Dialoge sind weder pathetisch noch kitschig, einfach großartig.

Dr. Cyrus Haven, Psychologe, assistiert der Polizei in Nottingham, in der Person von DI Lenny Parvel. Jodie Sheehan, 15 Jahre alt, talentierte Eiskunstläuferin und am Anfang ihrer Laufbahn stehend, wird ermordet aufgefunden. Alle Anzeichen weisen auf einen Sexualmord hin. Das Mädchen erschien vordergründig wie ein kleiner, unschuldiger Engel – umso bestürzender sind die Wahrheiten, die sich nach ihrem Tod ergeben: Jodie Sheehan war sexuell frühreif, schien kein Problem damit zu haben, mehrere Bekanntschaften gleichzeitig zu pflegen und verfügte über eine hohe Summe Bargeld, deren Herkunft vollkommen unklar ist. Dazu kommen zwei Familien, die sich hinter ihrer kleinbürgerlichen Fassade verstecken. Cyrus Haven ist durch ein frühkindliches Trauma belastet, dessen Bruder Felix hat seine Familie ausgerottet.

Cyrus lernt Evie Cormac in einer psychiatrischen Anstalt kennen. Mit seinem Fable für krankhaft gestörte Charaktere wird aus dem Untersuchungsobjekt Evie eine Mitbewohnerin und er ihr Pflegevater. Sie hat die besondere Gabe. Lügen zu erkennen. Ihr Motto: „Trau keinem. Glaube nichts.“ Cyrus ist nicht naiv, erkennt er doch seine prekäre Situation: „Ich erkenne ihren (Evies) emotionalen Rückstand. Ich bin noch nie einer so puren Nihilistin begegnet. Sie ist wie eine neue Spezies von Mensch, aufgewachsen in einem beinahe vernichtenden Selbsthass, der jede Selbstachtung, die sie vielleicht einmal besaß, ausgelöscht hat. In ihrem Kopf und in ihrem Herzen ist sie eine Beleidigung für den Boden, auf dem sie geht und für die Luft, die sie atmet. All ihre Energie, all ihre geistigen Kräfte sagen ihr, dass sie die Wlt hassen muss; dass sie sie in Stücke schlagen muss, bevor die Welt sie zerstört.“ (S. 387) Als „Angel Face“ ist Evie die zweite Ich-Erzählerin neben Cyrus.

Ein Psychothriller mit Melancholie, die mich sehr berührt hat. Auf zum nächsten Robotham.