Rezension

Bestseller sind mehr als erfolgreiche Bücher – sie sind Spiegel ihrer Zeit

Bestseller - Jörg Magenau

Bestseller
von Jörg Magenau

Bewertet mit 4.5 Sternen

Jeder Leser weiß es: Ein Platz auf der Bestsellerliste ist kein Qualitätsmerkmal für ein Buch. Auch wenn mancher verächtlich auf den sich dort widerspiegelnden Mainstream schaut, sind auch immer wieder wahre Schätze darunter zu finden, bei denen es nicht verwundert, dass viele Leser genau diese Bücher mögen. Bei anderen Verkaufsschlagern hingegen möchte man es gern wie Denis Scheck halten und sie ins Nirwana befördern. Als ich kürzlich entdeckte, dass Jörg Magenau in seinem Buch Bestseller genauer unter die Lupe nimmt, stand für mich fest, dass ich es unbedingt lesen muss.

Ich war gespannt, was mich zu diesem Thema erwarten würde und wie der 1961 geborene Jörg Magenau, Literaturkritiker und Sachbuchautor, es behandelt. Vorab sei so viel verraten: Ich bin begeistert.

In den ersten Kapiteln geht es um Allgemeines rund ums Lesen und den Leser, was jedoch schon recht bald zum Buch, dem Bestseller, den Bestsellerlisten und dem Buchmarkt hinführt. Dabei erfährt man nicht nur interessante Fakten, sondern es macht auch Freude sich mit den teils philosophischen Gedanken zu beschäftigen.

„Wer sind wir, wenn wir lesen? Was passiert mit uns, wenn wir langsam, noch zögernd, in die erste Zeile gleiten, welcher Film läuft ab, wenn wir kopfüber in den Text stürzen?“ (S. 27)

Als jemand, zu dessen liebsten Hobbys das Lesen gehört, fühlte ich mich verstanden und in den Leserkreis aufgenommen, zu dem sich auch der Autor zählt, der dieses Buch in der „Wir-Form“ verfasst hat. Und so habe ich in dieser Atmosphäre gern im imaginären Lesesessel gegenüber platzgenommen und mir von Jörg Magenau erzählen lassen, was er zum Thema Bestseller herausgefunden hat.

„Bei jedem einzelnen Erfolgstitel gilt es zu unterscheiden, ob es sich beim ausgelösten Massenzuspruch um einen Fall von Schwarmintelligenz handelt, um überraschende Übereinstimmung oder bloß um ein Beispiel dafür, dass der Teufel halt immer auf den größten Haufen scheißt.“ (S. 35)

In den Bestsellerregalen von 1945 bis heute fahndet er danach, was diese Bücher über uns Leser verraten. Er geht dabei nicht chronologisch vor, sondern untersucht Bestseller und -listen nach bestimmten Themen und unterschiedlichen Betrachtungsweisen und setzt dies in einen geschichtlichen und gesellschaftlichen Zusammenhang. Denn Bestseller sind mehr als erfolgreiche Bücher – sie sind Spiegel ihrer Zeit. Die Gedankengänge hierzu sind interessant und nachvollziehbar, aber es gibt auch die ein oder andere Verknüpfung zwischen Buch und Zeitgeist, die mir zu gewollt erscheint.

Ein schöner Nebeneffekt dieses Buches ist, dass ich mich beim Lesen auf eine Art Zeitreise begab und dabei Buchtiteln begegnete, die erst im vergangenen Jahr erschienen sind, die ich in meinen 50 Lebensjahren bereits gelesen, von denen ich zumindest gehört habe oder die bei meinen Eltern und Großeltern im Bücherschrank standen und schon für Gesprächsstoff sorgten. Es ist ein bisschen wie nach Hause kommen und guten alten Bekannten zu begegnen. Bei so manchem erwähnten Titel, der dabei angesprochen, kurz zusammengefasst und womöglich leicht ironisch oder mit einem sympathischen Augenzwinkern von Jörg Magenau in Relation gesetzt wird, bekommt man gleich Lust darauf, ihn nochmal oder endlich zu lesen. Hierbei kann natürlich auch die chronologische Auflistung aller erwähnten Bücher hilfreich sein, die sich neben den zahlreichen Anmerkungen zu den Endnoten am Schluss des Buches befindet.

Wer gerne vom Lesen liest und Bücher über Bücher liebt, der könnte an „Bestseller“ von Jörg Magenau seine Freude haben.