Rezension

Bewegend, tiefsinnig und außergewöhnlich zugleich

Noah will nach Hause, 6 Audio-CDs - Sharon Guskin

Noah will nach Hause, 6 Audio-CDs
von Sharon Guskin

Janie ist 39 und stürzt sich in Trinidad in einen One Night Stand mit einem fremden verheirateten Mann. Die Folge ist Noah, ein sehr aufgewecktes und schlaues Kerlchen, mittlerweile 4 Jahre alt und ziemlich verhaltensauffällig. Er wacht regelmäßig von Albträumen auf, ruft nach seiner Mutter und verabscheut zutiefst jeglichen Kontakt mit Wasser. Als er im Kindergarten erzählt, er habe Harry Potter Bücher gelesen und mit einer Renegade Kaliber .54 gespielt, kommt Janie in eine missliche Lage. Warum erzählt Noah so etwas? Sie habe ihm nie die Bücher gekauft, kenne sie noch nicht einmal selbst und er sei erst recht nicht mit Waffen in Kontakt gekommen. Janie soll sich auf Raten der Kindergartenleiterin professionelle Hilfe suchen oder sie ist gezwungen die Behörden einzuschalten. Kinderpsychologen sprechen von einer Schizophrenie und verschreiben Medikamente, die Janie ihrem Sohn nicht verabreichen möchte. Im Internet stößt sie zufällig auf Prof. Jerome Anderson, der sich seit Jahren mit Reinkarnation beschäftigt. Zur Publikation seines Buches, das Fallstudien auf der ganzen Welt beinhaltet, fehlt ihn noch ein letzter stichhaltiger amerikanischer Fall. Janies Kontaktaufnahme gibt ihm Hoffnung, denn auch seine Aphasie schreitet unaufhaltsam voran. Zunächst misstrauisch willigt Janie Noah zuliebe dann doch in die Pläne des Professors ein und gemeinsam begeben sich die drei auf die Spuren von Noahs Vergangenheit.

Der Schreibstil hat mir sehr gut gefallen. Bis zuletzt wollte ich endlich wissen, was mit Noah geschah. Bis das (traurige) Mysterium gelüftet wird, lernen wir weitere Figuren kennen, deren Verzweiflung, Trauer und Hoffnung nachvollziehbar und sehr real erscheinen, einfach menschlich. Janie ist eine Vollblutmama, die alles dafür tun würde, damit es ihrem Sohn besser geht. Seine Rufe nach seiner echten Mama verletzen sie sehr, aber sie versucht es sich nicht anmerken zu lassen. Auch Denises Trauer ist überwältigend, die seit acht Jahren auf der Suche nach ihrem vermissten Sohn Tommy ist. Sie kann ihn nicht gehen lassen, so lange sie nicht weiß, was ihm zugestoßen ist. Der ältere Sohn Charlie scheint nach außen mit dem Verlust abgeschlossen zu haben, kompensiert dies aber gern mit Drogen. Die Authentizität der Charaktere machen sie sehr greifbar. Man möchte ihnen helfen, kann aber nur verfolgen, wie sie mit ihrer Trauer umzugehen lernen bis sie auf ihre ganz eigene Weise Frieden schließen können. Ein richtiges Happy End gibt es in dem Buch aber nicht. Es ist vielmehr eine stillschweigende Übereinkunft mit dem Leben irgendwie weitermachen zu müssen. Zumindest auf eine Person trifft dies aber nicht mehr nicht zu.
 Zwischendurch finden sich in einigen Kapiteln Auszüge aus Jim B. Tuckers Buch „Life before Life“: Children’s Memories of Previous Lives“. In diesen wird von Kindern aus Sri Lanka, Thailand oder dem Libanon berichtet, die sich im jungen Alter von bis zu 4 Jahren an ihr früheres Leben zu erinnern begannen und die auf unterschiedliche Weise ums Leben kamen. Ihre Angaben gestalteten sich alle als richtig. Sie erkannten Orte, an denen sie nie gewesen sein konnten, nannten die Namen früherer Familienmitglieder und kannten sich quasi blind in den Wohnungen oder Häusern aus, in denen sie einst gelebt haben sollen. Die Kombination hat mir sehr gefallen, da sie der Fiktion etwas Reales verlieh und Noahs Geschichte glaubwürdig und plausibel machten. Bisher habe ich mich nicht groß mit der Thematik der Wiedergeburt auseinandergesetzt. Doch die Geschichte regt wirklich zum Nachdenken an und bietet viel Raum für Diskussionen. Wie würden wir wohl angesichts des schier Unmöglichen reagieren? Kann das Bewusstsein nach dem Tod weiterleben?
Unabhängig davon, ob man an Wiedergeburt glaubt oder nicht, ist das Buch wirklich lesenswert. Es ist eine bewegende, tiefsinnige und außergewöhnliche Geschichte, die in der Vereinigung von Fiktion, realen Begebenheiten und einem Kriminalfall den Horizont erweitert.