Rezension

Bewegender Roman der Emigration eines "Kulturwanderers" - LESEN!!

Der Himmel ist ein Taschenspieler - Tanja Langer, David Majed

Der Himmel ist ein Taschenspieler
von Tanja Langer David Majed

Bewertet mit 5 Sternen

"Der Himmel ist ein Taschenspieler" von Tanja Langer/David Majed ist 2014 im Verlag LangenMüller erschienen; es handelt sich um einen sehr lesenswerten Roman, dessen Cover eine wunderschöne türkisfarbene Moschee in Mazar-I-Sharif, Afghanistan, ziert, von der gerade viele (Friedens)-Tauben aufsteigen, die Symbolcharakter für den Emigrationsroman, der autobiographische Züge hat, haben könnte...
Inhalt/Handlung:
Auf dem Buchrücken findet sich ein altes Sprichwort (auch in Arabisch), das besagt, dass uns - wie der Buchtitel sagt - das Schicksal immer wieder täuscht. Das muss auch der junge Mathematiker Martin Mahboob Malik erfahren, der der Bitte seines Vaters nach 20 Jahren nachkommt, diesen in Afghanistan zu besuchen: Die Familie wurde 1979 (Einmarsch der Sowjets, politische Unruhen) auseinander gerissen; Vater und Schwester blieben in Afghanistan zurück, Mahboob und seine Mutter konnten nach Deutschland ausreisen. Hier also aufgewachsen, wird die Rückkehr des jungen Deutsch-Afghanen zu einer großen Herausforderung. Die Geschichte erzählt vom Wiederfinden einer Kindheit und der Such nach einer "3. Identität" in einem Land, vor dem Krieg und Zerstörung in den letzten Jahrzehnten nicht halt machten: Afghanistan.
Meine Meinung:
Von der ersten Seite an gefiel mir die bildhafte Sprache und der sensible Schreibstil, die den ganzen Roman "durchwirken"; der Leser begibt sich mit Mahboob auf die Reise ins Land seiner Kindheit - und damit in eine andere Kultur, der Arabischen... Man begegnet in Rückblenden liebenswerten Menschen wie Malem, dem Lehrer und Ladenbesitzer, der das Interesse des erst 9jährigen Mahboob an der Mathematik zu wecken weiß und als väterlicher Freund in Mahboob's Geschichte eingeht...
Der erwachsene Martin - Mahboob nähert sich nur langsam dem Vater an, der in Gefangenschaft war und durch seine Traumatisierung Zeit braucht, sich seinerseits dem Sohn zu nähern und seine Vergangenheit und Gefühle preiszugeben. Diese eher schwierige, aber menschlich nachvollziehbare Annäherung, die sehr sensibel und ausdrucksstark, zuweilen poetisch beschrieben wird, hat mich tief berührt: Dieses Schicksal steht für so viele Menschen, die aus Sorge um Leib und Leben auch derzeit ihr Land verlassen müssen, um in der Fremde - einer unbekannten Welt - weiterleben zu können. Mahboob erlebt und beschreibt auf faszinierende Weise die kulturellen Unterschiede, die es zwischen Deutschland und Afghanistan - ja zwischen Orient und Okzident - durchaus gibt und lässt den Leser daran teilhaben, die kulturellen Werte der arabischen Welt (u.a. Herzlichkeit, Gastrecht, Ehre) näher kennen und auch schätzen zu lernen. Der Roman lässt uns teilhaben an der Entdeckung einer anderen Kultur, handelt von Emigration und damit von der schmalen Gratwanderung der oft zwiespältigen Gefühle, denen "Kulturwanderer", Emigranten, Flüchtlinge oft schutzlos ausgesetzt sind - und sie dennoch die Möglichkeit besitzen, eine Art "3. Identität" aufzubauen, in der sie beide Kulturen in sich vereinen.
Fazit:
In "Der Himmel ist ein Taschenspieler" hat man Gelegenheit, genau das zu begreifen: Wie schwer es sein kann (und sicher auch ist), zwischen bzw. in zwei unterschiedlichen Kulturen zu leben - und dennoch sein persönliches Glück zu finden.
Ich vergebe 5 Sterne und 95° auf der Skala für diesen wunderbaren, wenn auch zuweilen traurig und sehr nachdenklich machenden Roman, der an Poesie, Hoffnung, Ehrlichkeit und Sensibilität nichts zu wünschen übrig lässt und lege das Buch ganz besonders all jenen ans Herz, die Wert darauf legen, ihre interkulturellen Kompetenzen weiter verbessern zu wollen.
Sehr lesens- und empfehlenswert!