Rezension

Bewegendes Lebensbild

Zeit der Kornblumen - Margarete Bertschik

Zeit der Kornblumen
von Margarete Bertschik

Bewertet mit 5 Sternen

„...Ihr aufmerksamer Blick ist auf das riesige altmodische Fotoalbum mit dem groben Textileinband gerichtet, das aufgeschlagen auf ihrem Schoß liegt und dessen schwarze Kartonseiten sie behutsam umblättert...“

 

Obiges Zitat stammt aus dem Prolog des Buches. Ich habe es ausgewählt, weil sich die Fotos wie ein roter Faden durch das Buch ziehen. Im Prolog lerne ich Marie Sophia geborene Hoffstede im hohen Alter an ihrem letzten Lebenstag kennen. Im Epilog schließlich wird sich ihr Lebenslauf vollendet haben.

Dazwischen liegen Stationen eines ungewöhnlichen Lebens. Marie wurde im Jahre 1915 als zweitälteste Tochter einer Bauernfamilie geboren, die einen Heuerhof bewirtschaftete. Das Mädchen fällt durch seine Wissbegierde auf. Doch als sie heiratet, bleibt sie Bäuerin, wenn auch nun auf eigenem Hof. Nach dem Tode ihres Mannes entschließt sich Marie im Jahre 1978 zu einem radikalen Neubeginn. Sie verlässt ihr Dorf und zieht nach Oldenburg. Dort wird sie Stammgast in der Bibliothek.

Die Autorin hat ein berührendes Lebensbild gezeichnet. Das Buch lässt sich zügig lesen. Ein Grund dafür sind die kurzen Kapitel und der besondere Aufbau des Buches.

Das Jahr 1978 bedeutet auch für die Gestaltung des Buches einen besonderen Einschnitt. Nach dem Prolog kommen zwei Kapitel zu Maries Kindheit. Danach folgt das Leben von Marie im Jahr 1978

in Oldenburg. Nun wechseln immer zwei Kapitel im dörflichen Leben mit einem Kapitel von Maries späteren Jahren. Alle Kapitel beginnen mit einem kurzen Gedicht von drei Versen. Das ist der Tatsache geschuldet, dass Marie schon als Kind Gedichte geschrieben hat. Danach folgt in kursivem Schriftstil die Beschreibung eines Fotos. Jahreszahl und abgebildete Personen sowie Aufnahmeort werden darunter angegeben. Das Foto leitet die nun folgende Episode aus Maries Leben ein. Die Autorin hat besondere Höhepunkte der persönlichen Lebensgeschichte ausgewählt. Mit berührenden Worten werden Freude und Trauer, Hoffnung und Neubeginn geschildert. Die gesellschaftlichen Veränderungen werden zwar marginal erwähnt, zeigen sich aber insbesondere in dem Verhalten der Familie. Krieg, Niedergang der Heuerhöfe mit zunehmender Technik in der Landwirtschaft und die Möglichkeit, dass auch Mädchen höhere Bildung erhalten können, sind nur einige der gestreiften Themen. Die Autorin beherrscht den Umgang mit der Sprache. Schöne Metapher, gekonnte Beschreibung von Land und Leuten und inhaltsreiche Dialoge gehören zum Inhalt des Buches. Einer der Höhepunkte für mich ist der Besuch von Marie bei ihrer Tochter Michaela, die in Braunschweig. studiert. Für Marie ist es die Reise in eine unbekannte Welt, und Michaela begreift, dass ihre Mutter eine stille Sehnsucht hat, die über das Leben auf dem Hof hinausgeht.

Das Cover mit den Kornblumen wirkt ansprechend.

Das Buch hat mir ausgezeichnet gefallen. Maries Leben steht dafür, dass es nie zu spät ist, einen Weg einzuschlagen, sich seine Träume zu erfüllen und zu lernen.