Rezension

Bezauberndes Fantasyabenteuer

Elma Wortesammlerin -

Elma Wortesammlerin
von M.C. Hermann

Bewertet mit 5 Sternen

Eine Geschichte über Mut, Freundschaft, Bosheit und Manipulationen und wie es gelingt sich seine Gedankenfreiheit zu bewahren.

Elma gehört zum Volk der Elfen. Dieses lebt in unserer Geschichte in Städten hoch oben in den Baumwipfeln und meidet tunlichst den Kontakt mit den Menschen. Doch das war nicht immer so, wie wir im Laufe dieses so einnehmenden Romans erfahren – und es wird auch nicht immer so bleiben! Aber zurück zu Elma! Sie ist, wie der Titel schon sagt, eine Wortesammlerin, vielmehr will eine werden, wozu sie bei dem weisen alten Elf Ungiel in die Lehre geht. Dieser verfügt über das gesammelte Wissen der Elfenwelt und dessen spannender Geschichte, das er in Form von Liedern weitergibt, damit es nicht in Vergessenheit gerät. Elma nun ist nicht nur ein aufgewecktes Mädchen, sondern auch neugierig. Sie will wissen, wie es in der Menschenwelt aussieht, die sie bisher nur aus den Liedern und den Erzählungen ihres vorwitzigen Cousins Luno kennt; und so steigt sie eines schönen Tages verbotenerweise aus den hohen Lüften der Elfenstadt hinab in eine Welt, die so fremd und neu, so anziehend wie bedrohlich ist, wie sie sehr bald feststellt, als ihr die etwa gleichaltrige Wendala, ein Menschenkind, über den Weg läuft. Wendala muss sich verstecken, denn die Häscher, eine Gruppe vermummter Kapuzenmänner mit rot glühenden Augen, hat ihr Dorf überfallen, die Kinder verschleppt und die Erwachsenen in Sklaverei genommen. Wendala ist wild entschlossen, sich auf die Suche nach dem Ort zu machen, an dem die Kinder gefangen gehalten werden – die Schwebende Stadt – und sie zu befreien. Ein wagemutiges, ein riskantes Unterfangen, aber, wie man sehr schnell sehen wird, Wendala ist nicht zu bremsen. Und sie ist so voller Tatendrang, dass sie Elma, eher vorsichtig und überlegt, einfach mitzieht! Ja, und dann beginnt ein gefährliches Abenteuer, bei dem den Mädchen zum Glück der ebenfalls entkommene Dorfälteste, die Graue Zarga, eine weise alte Frau, die über Zauberkräfte verfügt, sowie Elmas Vetter Luno, auf der Suche nach ihr, zur Seite stehen. Mehr als einmal geraten die Gefährten in scheinbar aussichtslose Situationen, aus denen sie sich mit Mut und Klugheit – eine unwiderstehliche Mischung! - retten können. Oft nur um Haaresbreite und dank der einen oder anderen glücklichen Fügung.

Doch das Schlimmste und Erschreckendste steht ihnen noch bevor, als sie mit einem vom Ältesten besorgten fliegenden Schiff – dem Fortbewegungsmittel der Häscher, Hauptmänner und Soldaten – die Schwebende Stadt erreicht haben und dem Großmeister, dem Herrscher dieses Stadtungetüms, gegenüberstehen. Und dieser allmächtige Mann, von schönem Antlitz, becircendem Charme und enormer Willenskraft, verfallen Wendala und vor allem Elma auf der Stelle – entgegen dem eigenen festen Willen, sich zu widersetzen. Unter dem Bann dieser Figur sind die entführten Kinder, die er zu willfährigen Soldaten gemacht hat, ihm ausgeliefert. Er dringt in ihre Gedanken ein, kann sie lesen, wann immer ihm danach zu Mute ist, zwingt sie, sich ihm zu öffnen.

Bekannte Strukturen! Wie jeder Diktator strebt auch dieser selbsternannte Großmeister nach Weltherrschaft und der totalen Kontrolle, macht seine Untergebenen, die im Buch nicht umsonst allesamt Kinder sind, denn der Bann funktioniert nur bei ihnen, deren Geist noch formbar ist, zu Instrumenten seiner Macht und seines Größenwahns.

Doch noch ist nicht aller Tage Abend! Bevor sie unter des Großmeisters Bann geriet und fürchtend, dass genau dies geschehen würde, hat Elma nämlich, denn das kann sie inzwischen so gut, dass Ungiel stolz auf sie wäre, könnte er sie denn sehen, ein Lied erfunden, das sie daran erinnern soll, wer sie ist, nämlich nur sie selbst. Und dieses Lied könnte letztlich ihre und die Rettung all der versklavten, manipulierten Kinder in dieser so grausigen Stadt sein....

Ein wirklich schönes Fantasyabenteuer mit sehr realistischen Zügen, parabelhaft anmutend, habe ich mit „Elma Wortesammlerin“ gelesen! Ein Jugendbuch – doch anziehend für jedwede Altersgruppe, für alle, wenn sie denn für die Märchen ihrer Kindheit offen geblieben sind. Eine Geschichte von erstaunlicher Tiefe, an der rein gar nichts auszusetzen ist. Kein Wort war zu viel, keine Szene zu lang – obwohl das Buch ein recht umfangreiches ist. Neugierig bin ich den Ideen gefolgt, mit denen der Autor seine Handlung sich hat entwickeln lassen, wobei der rote Faden, die inhärente Logik, nie abgerissen ist. Ich bin Figuren begegnet, die so einnehmend wie überzeugend waren, deren Interaktionen und Gespräche nie aufgesetzt oder an den Haaren herbeigezogen waren. Gemeinsam mit den Protagonisten habe ich mich dem Bösen, dem Manipulativen, verkörpert beileibe nicht nur in der schauerlich-attraktiven Figur des Großmeisters, gegenüber gesehen – und dabei immer wieder Parallelen gezogen zur Realität, der gegenwärtigen und der vergangenen. Und immer wieder auch hängengeblieben bin ich an der Gedankenfreiheit, die hier zunichte gemacht wird durch aggressivste Gehirnwäsche – auch dies ist durchaus bekannt aus der Realität, zu der jeder seine eigenen Assoziationen entwickeln mag. Elma aber, eine genaue Beobachterin, durchschaut die Mechanismen, nach denen der Großmeister vorgeht, und wehrt sich dagegen. Mit aller Macht! „Ich will immer nur ich selber sein“. Ihr Lied. Das genau ist es, das ist für mich die Quintessenz dieser mitreißenden Geschichte. Und sich diese Aussage immer wieder bewusst zu machen ist der beste Schutz gegen alles, was von außen an Üblem an einen herangetragen wird! Ich bin ich und ich entscheide über das, was ich tun möchte und was nicht, ich alleine entscheide über meine Gedanken.

Summa summarum: Ein wunderschönes Märchen – aber noch viel mehr, wie man beim Lesen gewahr wird – mit ganz bezauberndem Ende, Trost in dunklen Zeiten, eine unbestimmte Sehnsucht weckend nach Freundschaft, Zusammenhalt, Füreinanderdasein. Was für ein helles, lichtes, mutmachendes Buch! Danke dafür!