Rezension

Beziehungsgeflechte

Das Summen. Die Ereignisse am Sequoia Crescent -

Das Summen. Die Ereignisse am Sequoia Crescent
von Jordan Tannahill

Bewertet mit 5 Sternen

Jordan Tannahill hat hier ein richtig spannendes Buch geschrieben. Ein Blick auf den Menschen. Ein vielschichtiger Blick. Ein verstörender Blick. Ein interessanter Blick. Claire hört ein verstörendes Summen. Ein Summen, dass sie nicht ignorieren kann. Ein Summen, welches nur sie hört, ihre Familie und ihre Umgebung nicht. Plötzlich ist Claire anders, plötzlich fällt ihr Lebenskonstrukt zusammen. Das ist schlimm zu lesen. Doch ist das leider auch die Realität. Denn Geräusche hören viele Menschen, dies wird Tinnitus genannt. Und auch diese Menschen werden wahrscheinlich Probleme mit ihrer Umgebung haben. Denn der Mensch glaubt ja meistens nur, was er selbst sieht, was es auch den psychiatrisch Erkrankten ja so schwer macht in unserer Gesellschaft wahrgenommen zu werden. Nun ist Claire ein Charakter, der der Ursache auf den Grund gehen will, der nicht aufgibt, der weiter laut ist. Auch dies ist etwas, was der Umgebung sicher das Umgehen mit Claire schwerer machen wird. Doch warum? Ist es besser nur die verordnete Medizin zu nehmen und schweigend einen Zustand hinzunehmen, der die Möglichkeit hat, den Betreffenden zu zerstören, nur um die Umgebung zu schonen. Diese Gedanken soll sich der Leser hier sicherlich machen. Verstörende Gedanken. Denn auch mir fällt hier nicht die passende Antwort ein. Denn ich kann weder dem Einen zustimmen noch dem Anderen. Natürlich wäre es einfach zu sagen, Claire hätte jedes Recht darauf laut zu sein. Klar darf sie das. Aber man muss halt auch bedenken, dass jedes Tun auch Folgen hat. Und nicht jeder Mensch eine Stärke wie Claire hat. Nicht jeder Mensch ist in seiner Leidensfähigkeit, in seiner Resilienz, in seiner Immunität mit einer Stärke ausgestattet, die Claire hat. Denn meiner Meinung könnten solche Menschen vielleicht mit Claire mithalten, mit Claire um ihr Recht streiten. Vielleicht ist auch die Liebe ihres Mannes nicht stark genug. Wer weiß. Aber kann man diese Ausnahmesituation bewerten. Natürlich kann man alles bewerten. Aber hier sollte man sich eher fragen wie würde ich und meine Umgebung damit umgehen. Auch wenn diese Frage teilweise sicher verstört.

 

Aber nicht nur das thematisiert Jordan Tannahill, weiterhin wird Verhalten innerhalb einer Gruppe Gleichgesinnter in dem Buch aufgegriffen, die Interaktionen ihrer Mitglieder miteinander, menschliches Gruppengefüge also. Und das Ganze wird auch noch unter erschwerten Bedingungen beschrieben. Denn dieses Gefüge steht unter Druck, innerhalb der Gruppe durch radikale Ansichten einzelner Gruppenmitglieder und auch von außerhalb der Gruppe durch die Ausgrenzung, die sie von außen erfährt.

 

Ein weiteres zentrales Thema ist der Umgang von Erwachsenen mit Jugendlichen, eine Lehrerin, wieder Claire, findet einen Gleichgesinnten unter ihren Schülern, Kyle. Gemeinsam versuchen sie hinter die Geheimnisse des Summens zu kommen, schon mit einer Angst behaftet, was wohl die Anderen sagen, wenn das herauskommt. Und die Anderen in der Kleinstadt reagieren natürlich bewertend zu diesem Verhalten der Beiden, befeuert von den Angehörigen von Claire und Kyle. Was besonders schlimm in meinen Augen ist. Was für ein Vertrauensbruch! Dem Summen geht niemand nach, aber den kleingeistigen Vermutungen schon. Ein trauriges Verhalten. Aber ein menschliches Verhalten. Siehe Regenbogenpresse.

 

Jordan Tannahill verstrickt hier in dieser Geschichte eine richtig interessante und mindestens genauso verstörende Gemengelage in seinem Buch. Ein spannendes Buch! Und ein Buch, welches ich den Lesern dringend empfehle, die an psychologisch ausgefeilten Geschichten interessiert sind. Love it!