Rezension

Blick in menschliche Abgründe

Mörderinnen - Veikko Bartel

Mörderinnen
von Veikko Bartel

Eine Sammlung von vier Geschichten über vier Mörderinnen und ihre Motive. Veikko Barthel gibt einen Einblick in die Lebensgeschichten und das Umfeld der Täterinnen. Er schreibt dabei nicht immer wertfrei, aber das ist auch gar nicht seine Absicht, wie er im Vorwort erläutert. 

„Die Kindsmörderin“ ist noch klar unterteilt in Tat, Prozess, Urteil. Elvira bringt ihr Kind unbemerkt auf die Welt, erstickt es, nimmt es mit zur Arbeit und zerkocht es, spült die Überreste in der Toilette hinunter. Die Gründe für die Tat werden erst im Verlauf des Prozesses deutlich. 
Warum die vermeintlich so grausame Babymörderin so handelt, wird für die Leserin am Ende des Prozesses durchaus nachvollziehbar.

„Die Gattenmörderin“ beginnt damit, dass der Verteidiger die Angeklagte trifft, dann wird aus der Sicht der Täterin erzählt wie es zur Tat kommt. Hertha steht unter dem Verdacht ihren Mann umgebracht zu haben, sie verleugnet die Tat komplett, meint, er hätte Selbstmord begangen. Beide sind Rentner, reich, die Kinder sind ausgezogen und haben eigene Familien, beide leiden darunter, dass sie keine Aufgabe mehr haben und werden zu Alkoholikern. An seinem Geburtstag spitzt sich die Situation so zu, dass sie schließlich in seinem Tod mündet.
Die Geschichte ist stringenter erzählt als die erste, leider beschränkt sie sich nur auf die Biografie der Täterin, der juristische Aspekt, der mir bei der ersten Geschichte besonders gut gefallen hat, fällt hier weitestgehend weg.

„Die Sadistin“ beginnt wortwörtlich mit einem Cliffhanger, der erst am Ende aufgeklärt wird. Hier wird die Geschichte aus Sicht des ermittelnden Kommissars geschildert. Dieser ist damit beauftragt, eine Frau ausfindig zu machen, die in pornografischen Videos gequält und misshandelt wird. Die Videoszenen werden sehr sachlich und neutral geschildert, das macht es aber nicht unbedingt einfacher sie zu lesen. Diese Erzählung fokussiert sich mehr auf das Opfer, erst im Laufe ihres Verhörs kommt die ganze Wahrheit ans Licht. 

Die letzte Geschichte ist im Gegensatz zu den vorhergehenden ziemlich lang geraten. „Die Giftmörderin“ wird persönlicher beschrieben als die Fälle davor. Sie hat ein relativ offenes Ende was das Motiv und die Schuld angeht, überlässt es der Leserin ihr eigenes Urteil zu fällen, obwohl Natascha, die Giftmörderin, durchaus wertend beschrieben wird. 

Gut hat mir gefallen, dass es mit der Auswahl der Täterinnen einen Einblick in verschiedene Gesellschaftsschichten gibt: arm, reich, lesbisch/bisexuell, Migrationshintergrund.
Der Schreibstil ist vor allem im Vorwort recht umständlich und akademisch. Die eigentlichen Geschichten sind dann einfach und sehr flüssig zu lesen. Teilweise driftet die Sprache ins Reißerische um Spannung zu erzeugen, was nicht unbedingt nötig gewesen wäre. 
Während die ersten beiden Geschichten sehr kurz und relativ direkt erzählt werden, sind die letzten beiden eher umständlich und ausschweifend geraten.

Alles in allem ist mit „Mörderinnen“ eine interessante, vielfältige Sammlung von echten Kriminalfällen gelungen. Beim Einblick in die Biografie der Täterinnen wird deutlich, dass schon Kleinigkeiten dazu führen können, dass die Grenze zum Mord überschritten wird. Barthel schafft es die Taten zumindest zum Teil nachvollziehbar zu machen und der Fokus auf Frauen als Täterinnen ist eine sehr willkommene Abwechslung zum überwiegend männlichen Täterbild der Kriminalliteratur.