Rezension

Buch zur Showreihe

1000 ultimative Charthits - Lothar Berndorff, Tobias Friedrich

1000 ultimative Charthits
von Lothar Berndorff Tobias Friedrich

Bewertet mit 5 Sternen

Wer kann sich an diesen verheerenden Schlagzeugeinsatz nicht erinnern? "Nanananana", sangen die Männer aus Österreich und garnierten diesen karnevalistisch anmutenden Song mit der Weisheit "Life is Life". Kaum auszuhalten, so einfach funktionierte das. Für alle Österreicher sind Opus natürlich kein One-Hit-Wonder. Die Band formierte sich bereits 1973, organisierte seit 1978 sogar ein Rock-Festival und veröffentlichte ab 1980 fleißig Platten. Aber letztlich kennt jeder nur Bodumm-Bodumm, ts-m-ts-m (Opus, "Life is life", 1985)

Es ist richtig, dass das Buch zahlreiche Fehler enthält, die sich beim Lesen nicht übersehen lassen - selbst wenn man nicht die angegebenen Chartpositionen mit der Realität abgleicht. Streckenweise brach ich darüber in heftiges Kopfschütteln aus, aber am Ende habe ich dem voluminösen Werk die Schwächen weitgehend verziehen.

Es ist in dieser Fülle eine einzigartige Sammlung an Informationen und Material über die Titel der populären Musik, die in Deutschland 50 Jahre lang wichtig und erfolgreich waren - mehr als diesen Anspruch hat das Buch nicht, aber den löst es dann auch weitgehend ein. Ja, manchmal ist den Autoren etwas entgangen, manchmal ist der Stil etwas arg locker - eben wie die Erläuterungen in den Chart-Shows, aus denen das Werk entstanden ist - und manchmal haut man auch richtig schön daneben (Unglaublich etwa, dass man ein simples Werk wie "Zwei kleine Italiener" inhaltlich ganz falsch verstehen kann...) oder plaudert nur herum, weil man offenbar keine echten Hintergrundinfos zu einem Titel gefunden hat. Und für die Benutzung als Nachschlagewerk wäre ein Titelverzeichnis (neben dem enthaltenen Künstlerverzeichnis) unbedingt sinnvoll gewesen.

Aber am meisten Spaß hat man mit dem Buch, wenn man es gar nicht zum Nachschlagen benutzt, sondern wirklich durcharbeitet. Da durchlebt man die Schlager- und Pop-Jahrzehnte nochmal im Zeitraffer, stößt auf fast vergessene Perlen und erfährt viel Neues zu Liedern, die man schon lange liebt. Und noch mehr: Man erlebt das Kommen und Gehen von Gruppen, Trends und Musikstilen, was einem ganz neue Einsichten in das Musik-Business beschert.

Stichwort Business: Manchmal ist es desillusionierend, zu erfahren, wie "industriell" viele Titel hergestellt und vermarktet werden - und dann gibt es wieder andere Fälle, wo sich ein Künstler mit einem bestimmten Anliegen tatsächlich gegen Industrie und Marktmacht durchsetzt, weil er einfach etwas zu bieten hat, was die Leute hören wollen.

Wahrscheinlich wird es beim Durchblättern und -lesen vielen Leuten wie mir gehen: Zuerst kommen die alten Titel, von denen man manche als nette Oldies kennt, andere aber gar nicht. Dann erscheinen die ersten eigenen Erinnerungen, Stücke aus der Kinderzeit, und dann ab dem Jugendalter das, was jeder als "seine Musik" kennt und liebt - eben das, womit man aufgewachsen ist und was einen geprägt hat. Da gibt es viel wiederzufinden und neu zu entdecken, was einen ins Träumen und Summen bringt. Und dann kommen irgendwann die Jahre (jedenfalls wenn man über 40 ist), wo man die aktuellen Charts allmählich immer weniger verfolgt hat und an den neuen Stilrichtungen nicht mehr interessiert war - und wo man darum im Buch immer mehr unbekanntes selbst auf vorderen Plätzen findet. Mit diesem Verzeichnis lässt sich sehr schön nachvollziehen, wann man durch diese Phasen gegangen ist.

Insgesamt also: Es ist nicht perfekt, aber doch unverzichtbar - und seinen Preis allemal wert.