Rezension

California here we come

Avalon
von Nell Zink

Bewertet mit 5 Sternen

AVALON! AVALON? Wer oder was ist Avalon? Avalon ist … (komme gleich dazu).

We've been on the run
Driving in the sun
Looking out for number one
California here we come

Es beginnt im kalifornischen Torrance, einer Kleinstadt am Pazifik mit 150.000 Einwohnern, etwa eine halbe Autostunde von Los Angeles entfernt, ist aber alles andere als ein mystischer Sehnsuchtsort – wenn ich an die Sage um König Arthur denke.
Eher liegt dieser auf der vorgelagerten Insel Santa Catalina Island mit dem kleinen „Avalon“, einem Touristenfallen-Kaff. Diese geographischen Angaben sind real, alles Folgende entspringt Nell Zinks Phantasie.

Die zehnjährige „Bran“ Brandy und ihr Halbbruder wachsen auf einer Baumschule der Pflegefamilie Hendersons, einem letzten Freund ihrer Mutter, im Hinterland von Los Angeles auf. Für acht Jahre unbezahlte Arbeit und 20.000 Dollar Kindergeld. Die Mutter verschwindet in ein buddhistisches Kloster, der Vater nach Australien.
Bran ist im letzten Highschool-Jahr, ihre Arbeitskraft wird von ihrer Stieffamilie ausbeuterisch, wenn auch als unverzichtbar ausgenützt. Sie verpasst großen exotischen Pflanzen Formschnitte dermaßen perfekt wie sonst keiner in der Firma. Sie ist klug und schafft mühelos die Highschool, was ihr in den USA allerdings ohne weitere Collegeausbildung nur Jobs mit geringster Bezahlung ermöglicht.

Erst langsam, mithilfe von Freunden, kann sie sich aus den Fesseln der Hendersons befreien. Ohne Identitätspapiere und ohne Führerschein besorgt sie sich einen alten Mazda, um damit in die Unabhängigkeit zu starten, denn auf der schmutzigen Farm wird sie bloß als billige Arbeitskraft benützt. Unter diesen Freunden sind allesamt durchgeknallte bis schräge – im besten Fall – eigenartige Typen, wie der schwule Jay, der trotz Talentfreiheit ausgerechnet bei einer blinden Lehrerin Flamenco lernen und tanzen will, besucht später die Filmhochschule. Und der intellektuelle Studenten Peter von der Ostküste, der bereits mit einem reichen, schönen Mädchen aus einem arabischen Clan verlobt ist. Keine Chance auf eine Liebe, trotz starker gegenseitiger Anziehung.

Es wäre nicht Nell Zink, leidenschaftliche Vogelbeobachterin, die in „Avalon“ die Gesellschaftsstrukturen in Kalifornien „beobachtet“. Bran steckt fest im proletarischen Kleinstunternehmermilieu, ihr Highschool-Freundeskreis aus der wohlhabenden Mittelschicht, bald auf diverse Colleges verstreut. Wer geht wohin und mit wem? Bran kann sich keine Uni leisten, elternlos und ohne finanzielle Unterstützer. Sie kellnert, verrichtet Gartenarbeit und Poolreinigung bei reichen Leuten, beginnt ein Drehbuch zu schreiben. Bran kann gut Geschichten schreiben – soll sie eine unwahrscheinliche Karriere als Drehbuchautorin wagen?

Brans ersehnter Roadtrip kommt erst am Schluss. Mit ihrem alten Mazda auf die berühmte California State Route 1, dem Pacific Highway 1, um auf eine Party zu ihrem Peter zu gelangen.

„‚Avalon‘ heißt ‚Ort mit Äpfeln‘, diesem gesunden Zeug, das auf Bäumen wächst. Wenn du Äpfel richtig behandelst, bleiben sie das ganze Jahr frisch. Deshalb heißt das Wort Paradies ‚Garten‘, und deshalb wurde Artus nach Avalon gebracht, um seine Wunden zu heilen.“ (Bran S.6).