Rezension

Chronik eines Fluchs

Das Jahr der Hexen -

Das Jahr der Hexen
von Alexis Henderson

Bewertet mit 3 Sternen

In Bethel ist das Wort des Propheten Gesetz. Verstöße werden vehement bestraft. Immanuelle wächst in dieser Welt auf und betritt eines Tages die verbotenen Dunklen Wälder, wo sie das Tagebuch ihrer verstorbenen Mutter erhält und wodurch das Jahr der Hexen seinen Anfang nimmt.

„Das Jahr der Hexen“ hat mich vom Klappentext her interessiert. Ich habe mir eine historische Erzählung über Hexen und Hexenverbrennungen mit leicht übernatürlicher Note vorgestellt. Dieser Roman ist anders als ich es erwartete, und ist eher in Richtung düstere Fantasy einzuordnen.

Protagonistin Immanuelle ist fast eine Ausgestoßene. Ihre Mutter hat gegen die Gesetze verstoßen. Sie hat Immanuelles Vater geliebt, den sie nicht lieben durfte, und ihrer Tochter gleichzeitig mit ihrem eigenen Tod das Leben geschenkt. Immanuelles Alltag ist von ihrer Herkunft überschattet. Sie wird in der Gesellschaft toleriert anstatt akzeptiert, wodurch sie sich in ein tristes Dasein zurückgezogen hat.

In Bethel herrscht eine strenge Hierarchie. Der Prophet ist der Herrscher, der aufgrund des Glaubens unantastbar ist. Und damit verschwimmt das Bild von dieser Welt, die schwierig zu greifen ist. Ich habe mir mit Immanuelles Umfeld schwergetan. Von Anfang an war zwar mein Interesse geweckt, doch ich konnte die Ereignisse nicht einordnen. Autorin Alexis Henderson hat einen ausgesprochen einnehmenden Erzählstil und ihr Roman ist faszinierend. Sie transportiert Düsternis und Beklemmung, schreibt packend-brutale Szenen, wobei Einzelheiten, Details und Hintergründe im schwarzem Rauch kaum wahrzunehmen sind.

Thematisch geht die Autorin die Unterdrückung allgemein und im Besonderen die Unterwerfung von Frauen an. In Bethel ist es schwierig, wenn man nicht zum inneren Kreis des Propheten gehört. Die Menschen sind arm, wer einen Fehltritt wagt, wird am Scheiterhaufen brennen, und als Frau ist man auf die Rolle als Lustobjekt, Haushaltshilfe und Gebärmaschine reduziert. 

Inmitten dieser Gesellschaft lebt Immanuelle, die mit dem Makel ihrer Herkunft kein leichtes Dasein hat. Als sie sich in die Dunklen Wälder wagt, wird ihr bewusst, dass die Furcht vor diesem Ort ihre Berechtigung hat. 

Das titelgebende Jahr der Hexen beschreibt den Verlauf eines Fluchs, der sich auf Bethel legt. Immanuelle hat eine tragende Rolle darin, obwohl sie sich gegen die schrecklichen Heimsuchungen stellt. 

Die Idee hat mir ausgezeichnet gefallen und der Schreibstil der Autorin ist bemerkenswert gut. Obwohl ich in die Geschichte nicht in vollem Umfang eintauchen konnte, hat sie mich über den gesamten Roman hin fasziniert. Ich wollte unbedingt mehr zu den Hintergründen, dem Umfeld und den Mechanismen erfahren.

Mir haben schärfere Konturen gefehlt. Auf mich wirkten Protagonisten, Handlung und Geschehen wie in Rauch eingehüllt und zu selten bläst ein Wind, der den klaren Blick des Lesers zulässt.

Der Rahmen der Handlung hat mich am meisten fasziniert, weil ich so gern mehr über diese Welt wissen wollte. Trotzdem bleibt vieles davon ein Geheimnis, als ob die Autorin dem Leser keine genaueren Einblicke gönnt.

Obwohl sich meine Begeisterung in Grenzen hält, ist es ein guter Roman. Die Herangehensweise von Alexis Henderson ist anders, interessant, ihr Schreibstil packend und faszinierend, und die Handlung empfinde ich als solide überlegt und erarbeitet. Im Endeffekt war ich vielleicht die falsche Leserin, denn ich habe das Gefühl, dass dieses Buch andere mehr begeistern wird.