Rezension

Das gleichgeschaltete Wir

Wir - Evgenij Samjatin

Wir
von Evgenij Samjatin

Bewertet mit 3.5 Sternen

"Wir" wurde 1920 als Dystopie geschrieben und hat die Ehre, als erstes Buch offiziell in der Sowjetunion verboten worden zu sein. Der russische Schriftsteller und Revolutionär Samjatin wurde für sein Werk angefeindet, verließ schließlich Russland und verstarb mit nur 53 Jahren in Frankreich.

"Wir" stellt eine Gesellschaft vor, die in dem Einzigen Staat unter einer Glaskuppel in gläsernen Häusern lebt, von "Beschützern" überwacht, vollkommen durchgetaktet und dem Wohl der Gemeinschaft verpflichtet ist. Namen wurden durch Nummern ersetzt, wobei den Männern Konsonanten und den Frauen Vokale vorangestellt werden.

D-503 ist Konstrukteur der Integral, einem Raumschiff, dass demnächst in die Tiefen des Weltalls vordringen soll, um das vollkommene Glück dieses seelen- und traumlosen Staates anderen Zivilisationen anzutragen. Eigentlich läuft alles gut, bis D eines Tages I-330 kennenlernt, die ihn fasziniert. Er bricht daraufhin mit O-90, seiner auf ihn abonnierten Geschlechtspartnerin. I-330 ist geheimnisvoll und verführt D an einem alten Ort, der noch undurchsichtige Mauern besitzt.

Der Roman ist in Tagebuchform (D's Tagebuch) geschrieben und gilt als Wegbereiter für George Orwells 1984, oder Aldous Huxleys Schöne neue Welt. Ein paar Anachronismen, wie zum Beispiel den Beginn des Weltraums in 1 km Höhe, konnte ich noch einigermaßen gut verdauen, obwohl ich mir sicher bin, dass es auch schon 1920 genauere Informationen darüber gab. Aber die auffällige Anhäufung nackter Brüste und die gleichzeitige Fixierung unseres Protagonisten auf das weibliche Geschlecht, bei völliger Ignoranz der Umstände, verleidete mir dann doch die Lektüre.

D-503 schwankt ob seiner Gefühle, kann aber schließlich nicht aus seiner Haut und fügt sich nach vergeigter Revolution wieder voll und ganz dem Einzigen Staat.

Es gab durchaus ein paar Türen hinaus in eine Konterwelt, doch sie bleiben unbeachtet, allenfalls Nebenfiguren werden "hinausgeschickt", umzu überleben. D-503 aber scheint kein Held zu sein und seine Lethargie lässt ihn und den Leser verharren, sodass niemand erfährt, was es noch zu entdecken gibt. Schade!