Rezension

Das Spiegelei auf dem Panzer

Piccola Sicilia - Daniel Speck

Piccola Sicilia
von Daniel Speck

Bewertet mit 4 Sternen

Die Archäologin Nina steckt gerade in einer deprimierenden Scheidung, als ihr Jugendfreund Patrice sie zu einem sensationellen Fund nach Sizilien einlädt. Das entdeckte Flugzeugwrack könnte das Geheimnis ihres seit dem Krieg verschollenen Großvaters Moritz lüften. Als sie dort auf die sympathische Joelle trifft, taucht sie durch deren Erzählungen ganz tief in die damalige Zeit ein und erfährt nach und nach, was mit ihrem Großvater geschehen ist. Als Fotograf war er mit dafür verantwortlich, welche Bilder aus Tunis in den Wochenschauen zu Hause gezeigt wurden. Ein immer wiederkehrendes Motiv waren dabei Soldaten, die ein Spiegelei auf einem Panzer braten - harmlos und unterhaltsam - doch wie war es wirklich?

Der Roman wechselt zwischen zwei Zeitebenen, wobei mir Joelles Erzählungen von Yasmina, Victor und Moritz aus der Vergangenheit besser gefallen haben, als die Gegenwart. Doch als Brücke zwischen den Generationen und den Verknüpfungen der Familie hat sie natürlich eine wichtige Funktion. Piccola Sicilia war damals ein buntes, italienisches Viertel in Tunis, in dem die doch so unterschiedlichen Kulturen und Religionen vor dem Krieg friedlich zusammen gelebt haben. Davon zu lesen hat mich erstaunt und begeistert, da ich das bisher noch nicht wusste. Auch vom Vorgehen der Deutschen gegen die Juden in Afrika hatte ich noch nie gehört. In der Schule wurden immer nur die Gräueltaten in Europa erwähnt. So bringt das Buch auch noch ganz nebenbei geschichtliches Wissen nahe.

Der Schreibstil des Autors ist angenehm und doch fesselnd zu lesen, obwohl ich eigentlich Bücher, die mit Krieg zu tun haben, nicht mag. Das Geschehen ist hier so spannend und greifbar dargestellt, dass ich trotz einiger Längen und manchen unverständlichen Reaktionen der Charaktere froh bin, dieses Buch gelesen zu haben. Es war sehr interessant, die Geschichte des 2. Weltkriegs mal aus einer anderen Perspektive erzählt zu bekommen und erschreckend zu erfahren, wie die Wahrheit verdreht wurde. Ebenso die traurige Erkenntnis, dass sich damals wie heute, durch den gezielten Einsatz der Medien die Meinung der Menschen beeinflussen und manipulieren lässt.

Insgesamt konnte mich der Roman überzeugen und ich finde es gut, dass zum Schluss noch einige Fragen offen blieben und es kein komplettes Happy End gab. So kann man sich noch seine eigenen Gedanken darüber machen.