Rezension

Das Unbeschreibliche berührend erzählt

Stella, 4 Audio-CDs - Takis Würger

Stella, 4 Audio-CDs
von Takis Würger

"Diese Frau trug so viele Rollen in sich, das Aktmodell, die Sängerin mit der dünnen Stimme, die Schönheit in meiner Badewanne, die Büßerin, die Lügnerin, das Opfer, die Täterin. Stella Goldberg, die Greiferin, meine Frau. Ich weiß nicht, ob es falsch ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich weiß nicht, ob es richtig ist, einen Menschen zu verraten, um einen anderen zu retten. Ich wollte mich irgendwo verkriechen, weil ich wusste, dass ich dem Schicksal nicht gewachsen war, aber es mischte sich ein anderes Gefühl dazu. Ich spürte eine Verbundenheit mit Stella.[...]"

Der junge Schweizer Friedrich kommt 1942 mitten in den Wirren des Krieges nach Berlin, um seine Ausbildung als Maler fortzusetzen. Dort begegnet er der jungen, aufgeweckten Kristin, die mit ihm zusammen durch die Clubs von Berlin zieht, Cognac trinkt und die Friedrich zunehmend in ihren Bann zieht. Sie werden ein Paar. Eines Tages jedoch muss er erfahren, dass "Kristin" nicht die ist, die sie vorgibt zu sein...

Über dieses Buch wurde schon viel gesagt und geschrieben. Auch ich kann mich buchstäblich nicht dem Bann entziehen und muss sagen, dass es sehr lange in mir gearbeitet hat. Mehr noch, ich habe angefangen, mich nicht nur mit den damaligen Umständen auseinanderzusetzen, sondern mich auch mit der echten Stella Goldberg zu beschäftigen. Das ist ohne Zweifel ein mutiges und auch schon lange überfälliges Buch. Ich wusste bis dato nichts von Stella. Es beschäftigt sich mit der Frage, wie weit ein Mensch in einer echten lebensbedrohlichen Situation gehen würde, um diejenigen vor dem sicheren Tod zu retten, die er liebt. Und dabei gleichzeitig ohne Skrupel - aber vielleicht aus einem echten Übelebensinstinkt heraus, mit einem verbrecherischen Regime zu sympathisieren. Ich finde, es gelingt Takis Würger wunderbar sich dem Charakter und der Person Stella aus Sicht des (vielleicht fiktiven) Charakters Friedrich zu nähern. Erzählt wird die kurze Zeit der stürmischen Beziehung zwischen Friedrich und Stella im Jahr 1942. Dabei wird die Handlung immer wieder durch echte Zeugenaussagen aus den damaligen Gerichtsakten des Prozesses gegen Stella unterbrochen. Gerade in diesen Momenten werde ich als Leser wieder daran erinnert, dass es eben nicht die liebevolle Romanze ist. Gut fand ich auch, wie der Autor jeden Monat mit geschichtlichen Fakten und Ereignissen des Jahres 1942 beginnt und den Leser damit buchstäblich in die "brutale" Realität zurückholt. Und das war auch gut so. Takis Würger überlässt es meiner Ansicht nach durchaus dem Leser ein Urteil über Stella zu fällen. Der Schreibstil ist darüber sehr angenehm. Die Covergestaltung mit dem Foto der echten Stella ist meiner Meinung nach dezent, zurückgenommen, aber auch sehr fokussiert und dadurch irgendwie packend. Aufgrund des Themas wird hier bewusst und auch genau richtig, auf viel Schnörkel verzichtet.
Mein Fazit: Für mich sicherlich eines der Lesehighlights in diesem Jahr. Packend, nachdenklich machend und auch berührend einfach. Takis Würger gelingt es hervoragend das menschlich Unbegreifliche mit einfacher Sprache zu erzählen. Wunderbar.