Rezension

Das Verbindungsglied der Reihe

Der Gefangene des Himmels - Carlos Ruiz Zafón

Der Gefangene des Himmels
von Carlos Ruiz Zafón

Bewertet mit 4 Sternen

Der Held des Widerstands

„Wie ein gischtender Wasserfall stürzte die Helligkeit auf die Winkel des großen Labyrinths aus Gängen, Tunnels, Treppen, Bögen und Gewölben, die aus dem Boden zu sprießen schienen gleich einem riesigen Baumstamm aus Büchern, der sich in einer unmöglichen Geometrie zum Himmel hin öffnete.“

Inhalt

Fermín Romero de Torres zählt sich zu den guten Freunden von Daniel Sempere, dem jungen Buchhändler, der die Familientradition fortsetzt und in die Fußstapfen seines Vaters getreten ist. Doch um die Hochzeit mit seiner Angebeteten feiern zu können, benötigt Fermín zunächst eine offiziell bestätigte Geburtsurkunde, die er jedoch nicht mehr besitzt. Denn seine Vergangenheit ist mehr als düster und bedrohlich. Mit Hilfe von David Martín, dem begnadeten Schriftsteller, der immer mehr dem Wahnsinn verfällt, ist es Fermín vor Jahren gelungen, aus dem Gefängnis zu fliehen und seitdem existiert er nicht mehr, denn seine Personalien wurden gelöscht und er ist für tot erklärt worden. Gemeinsam mit Daniel erkundet er die bedrückende Vergangenheit und weiht seinen einzigen Vertrauten in die Ereignisse hinter den Gefängnismauern ein. Eine Zeit, die er nur knapp überlebte und in der andere die Opfer des brutalen Gefängniswärters Mauricio Valls wurden. Und ebenjener hat nach seiner Karriere als Misshandelnder einen wahren Blitzstart in Gunst und Ansehen der oberen Gesellschaftsschichten hingelegt und lebte viele Jahre seine Medienpräsenz, doch nun ranken sich auch um Valls Gerüchte und Fermín kennt die Hintergründe, die schließlich auch Daniel und seine verstorbene Mutter Isabella betreffen …

Meinung

Auch der dritten Band der Reihe um den „Friedhof-der-vergessenen-Bücher“ überzeugt mit erzählerischem Können und einer geheimnisvollen Geschichte hinter Gefängnismauern. Diesmal spielt der Schauplatz Barcelona eher eine untergeordnete Rolle, hier sind es vor allem die Personen, die miteinander in Verbindung gebracht werden und deren vielfältige Interaktionen in der Vergangenheit weitreichende Auswirkungen auf die Zukunft haben. Ein Buch, in dem man viele „alte“ Bekannte wiedertrifft und sich die Generationenfolge der Buchhandlung Sempere und Söhne offenbart. Dafür verzichtet der Autor etwas auf die gewohnte Mystik und setzt den Schwerpunkt auf ganz menschliche Verhaltensweisen. Aus diesem Grund, empfinde ich Band 3 der Reihe etwas schwächer als seine Vorgänger, weil es an geheimnisvollen Begebenheiten fehlt und auch an der subtilen Gruselatmosphäre, die Zafón bisher gewählt hatte.

Sehr gelungen finde ich hier das Beziehungsgeflecht der Personen, ihre Interaktion aber auch die Rätsel der Vergangenheit, die sich nun wie ein weiteres Puzzlestück zu einem schlüssigen Gesamtbild zusammensetzen. Empfehlenswert ist es, dieses Buch in der chronologischen Reihenfolge zu lesen, weil es anders als die bisherigen Bücher der Reihe, eine eher unscheinbare Geschichte erzählt, die nur dann ihre volle Bedeutung entfaltet, wenn man die Beteiligten schon kennt und ihre Geheimnisse im rechten Licht erscheinen.

Fazit

Ich vergebe 4 Lesesterne für diesen Roman, der eine ideale Kombination aus bisher Bekanntem und möglichen Folgen im letzten Band der Reihe schafft. Ein Buch, welches die vier Bände verbindet und großen Wert auf die Charaktere und ihre Sichtweisen legt. Kleine Abstriche gibt es nur bezüglich des erhofften mystisch-gruseligen Faktors, der hier etwas zu kurz kommt. Dennoch bin ich mit der Gesamtheit der Geschichte mehr als zufrieden und werde mich demnächst in „Das Labyrinth der Lichter“ wagen, um gemeinsam mit den Bibliothekaren der Buchhandlung Sempere die letzten verborgenen Dinge, die Grenzen der Vorstellungskraft zu entdecken. Eine wirklich beeindruckende Geschichte, deren Erzählniveau mich begeistert.