Rezension

Das versprochene Land

Das Versprechen -

Das Versprechen
von Damon Galgut

Bewertet mit 5 Sternen

Pretoria, Südafrika, 1986: Die Swarts sind eine alteingesessene südafrikanische weiße Familie, Vater und Mutter drei Kinder, Farm- und Landbesitzer. Allein, die Ehe zwischen Rachel und Manie ist zerrüttet, Rachel dazu noch schwer erkrankt. Kurz vor ihrem Tod fordert Rachel von ihrem Mann das Versprechen ein, dem schwarzen Dienstmädchen, treue Dienerin und Pflegerin über Jahre, das Haus zu schenken, dass diese bewohnt.

Das Versprechen ist ein Roman über eine dysfunktionale Familie, ihr Zerfall steht symbolhaft für den Zerfall des weißen Südafrikas. Der 1963 in Pretoria geborene Schriftsteller Damon Galgut für seinen Roman völlig verdient den Booker Prize 2021 erhalten.

Der Roman beginnt 1986 und ist in vier große Kapitel unterteilt, jedes trägt den Namen (oder die Funktion) eines der Familienmitglieder der Swarts. In Zeitsprüngen von etlichen Jahren erzählt, zeichnet sich allerdings spätestens im zweiten Kapitel ein fatales Muster über das Schicksal der Protagonist*innen ab.

Die historisch brisanten Ereignisse Südafrikas der letzten Jahrzehnte stehen nicht im Mittelpunkt der Handlung. Die alltäglichen Unruhen in den Townships, die Apartheid, die Veränderungen nach Mandelas Freilassung, die großen Hoffnungen an die neue Politik und die großen Enttäuschungen werden gestreift, dienen als zeitliche Anker. Es ist so gesehen kein politisches Buch, aber trotzdem höchst politisch gefärbt.  Die weiße Familie Swart steht für den Untergang einer Gesellschaft. Amor, Astrid und Anton, die Nachkommen der Swarts, sind nicht nur Kinder geprägt von dieser kaputten Familie, sondern auch Kinder dieser Zeit.

„Sie hatten völlig vergessen, dass ich da saß, in der Ecke. Sie sahen mich nicht, ich war wie eine Schwarze für sie.“

Die schwarzen Menschen in diesem Buch bleiben im Hintergrund, sind Dienstboten wie Salome, deren Sohn Lukas, der Chauffeur Lexington, Verbrecher oder windige Politiker. Die weißen Menschen sind größtenteils weinerliche Schwächlinge, Alkoholiker, Zyniker, bigott und trotz all dieser negativen Eigenschaften behalten sie immer noch rechthaberisch ihr Anspruchsdenken. Die jüngste Tochter Amor sticht aus diesem Sumpf der Eitelkeiten heraus. Sie wird Krankenschwester, gibt mehr in ihrem Beruf als sie hat und beharrt als einzige darauf, dass das vor langer Zeit gegebene Versprechen eingehalten wird. Dennoch verfällt auch sie in eine Lethargie, die wahrscheinlich bezeichnend dafür ist, dass ein Einziger nicht in der Lage sein kann, Veränderungen zu bewirken.

„Kleines Mädchen betrachtet die Sachen seiner Mutter.“

Galguts Art zu erzählen ist überraschend, besonders. Er wechselt die Perspektiven, vom beobachtenden Erzähler in die Ichform, manchmal mitten im Satz. Er gibt Dingen, Tieren, Verstorbenen eine Sichtweise, die sehr stark an afrikanische Erzählkunst erinnert und schafft damit die Möglichkeit, von ganz außen auf die Szenerie zu schauen. Er wendet sich direkt an sein lesendes Publikum, spricht mit seinem Personal, mit sich selbst, hinterfragt sein eigenes Werk.

„Die Toten wollen gar nichts!“

Das versprochene Land zieht sich als roter Faden durch das gesamte Buch. Dieses Buch ist politische, soziale und bisweilen religiöse Auseinandersetzung, oft symbolhaft um gegebene, große und kleine, nicht eingehaltene Versprechen.