Rezension

Ein Blitzschlag und vier Todesfälle

Das Versprechen -

Das Versprechen
von Damon Galgut

Bewertet mit 5 Sternen

Südafrika 1986. Das Land gehört noch der weißen Oberschicht und wir befinden uns vor den Toren Pretorias bei der Farmerfamlie Swart. Die 40jährige Mutter dreier Kinder liegt im Sterben und ringt ihrem Ehemann das Versprechen ab, der langjährigen, schwarzen Angestellten Salome das abseits gelegene Haus, in dem diese wohnt, zu überschreiben. Die einzige Zeugin dieses Gesprächs ihrer Eltern ist die 13jährige Amor, jüngstes Kind der Familie und Anlass für die Wandlung des Vaters vom Saulus zum Paulus, als sie mit 6 Jahren vom Blitz getroffen wurde.
Seitdem völlig einer christlichen Freikirche verschrieben und entsetzt darüber, dass seine Frau Rachel ein halbes Jahr vor ihrem Tod wieder zurück zum Judentum konvertierte, will er am Beisetzungstag auch nichts mehr von seinem gegebenen Wort an seine Frau wissen - und überhaupt, Schwarze dürfen kein Land besitzen. Stattdessen macht sich sein Kirchenoberhaupt Hoffnung auf Grund und Boden, wo er seine Schäfchen versammeln kann. Das wiederum erzürnt den 19jährigen Anton, Stammhalter der Familie, von Wutanfällen geplagt, beleidigt er Vater und Pastor. Er verlässt die Farm nach der Beerdigung und kehrt auch nicht zum Wehrdienst zurück.

Erst 10 Jahre später, zur Beerdingung des Vaters, treffen alle 3 Kinder wieder zusammen, Amor ist vom Internat abgegangen und verdingt sich als Krankenpflegerin auf einer Aidsstation, Astrid, die Mittlere, heiratete und bekam Kinder. Anton will jetzt die Farm übernehmen und verspricht Amor, der Hausangestellten bald das Haus zu überschreiben.

Doch die Jahre gehen dahin. Mit Nelson Mandela als Präsident wird die Apartheid zwar auf dem Papier abgeschafft, doch die Nachwirkungen jahrzentelanger Unterdrückung haben ihre Spuren hinterlassen, die Schwarzen wollen Grechtigkeit und oft genug Rache. Die Unruhen im Land, die Neuverteilung von Ämtern und Macht, lassen Anton in Stillstand verharren und so wird weder aus seinem großen Roman, noch aus dem Versprechen etwas und die Farm verfällt so langsam.

Wer die Kapitelüberschriften richtig gedeutet hat, weiß, dass auch Astrid früh verstirbt, auf eine gewaltsame, für diese Zeit im Land fast typische Art und Anton ihr bald folgen wird. So bleibt Amor als einzige übrig und versucht ihr bestes, der inzwischen alten Salome das Haus zu übergeben...

Die Ein-Blitzschlag-und-vier-Todesfälle-Geschichte Galguts, ausgezeichnet mit dem Booker-Prize, ist ein Wimmelbild im Flackerlicht. Die Schlaglichter wechseln rasant und die vermeintlichen Hauptprotagonisten, Amor und Salome bleiben im Schatten, letztere sogar fast unsichtbar. Dafür bekommen alle Beteiligten und auch Unbeteiligten (Schakale, Landstreicher und Regenfälle) ihr Quantum Aufmerksamkeit, das, bei aller Tragik, oft genug amüsant und sehr unterhaltsam ausfällt. Die Unbekümmertheit des Autors macht sich in Selbstironie, Ansprache seiner Leser und Protagonisten, nicht gekennzeichneten wörtlichen Reden und unangekündigten Zeitsprüngen bemerkbar. Mit beneidenswerter Leichtigkeit lässt er die harten politischen Umbrüche ins intime Familienleben einziehen und lässt sie über 3 Jahrzehnte zerfallen.

Von der Apartheid zur Demokratie, von der Menarche bis zur Menopause, vom Reichtum bis zum Zerfall, vom großen Versprechen bis zum kleinlauten Einlösen. Galgut verlangt viel auf 350 Seiten und bekommt meine volle Zustimmung zu diesem Kaleidoskop voller Skurrilitäten und menschlichen Schicksalen, von ernsthaftem Anspruch und guter Unterhaltung mit Nachdenkpotential.