Rezension

Dauerregen...

Sommerwasser -

Sommerwasser
von Sarah Moss

Bewertet mit 4 Sternen

Ein verregneter Sommer... In ihrem psychologischen Kammerspiel führt Sarah Moss unsere Gesellschaft vor - verblüffend und gekonnt!

Der Regen trommelt auf den schottischen See, schluckt das Licht des langen Sommertages und lässt die Pfützen brodeln. Hinter den Fenstern der wenigen Ferienhütten bleibt kaum etwas zu tun, als die Nachbarn zu beobachten. Während die Stunden fast unmerklich vergehen, formen die Urlaubsgäste aus flüchtigen Eindrücken ihr Urteil. Über die Mutter, die bei Tagesanbruch in ein paar kostbare Stunden Einsamkeit flüchtet. Den Jungen, der den windgepeitschten See seinen nervtötenden Eltern vorzieht. Und vor allem über diese eine Familie mit dem komischen Nachnamen, die hier einfach nicht hingehört. Mit Witz und Einfühlungsvermögen erzählt Sarah Moss von der menschlichen Fähigkeit zu Grausamkeit und Güte. (Verlagsbeschreibung)

Eine Feriensiedlung an einem schottischen Loch, alte Holzhütten, die ihre beste Zeit schon hinter sich haben, und doch könnte es ein ruhiger und erholsamer Urlaub sein, würde es nicht schon seit Tagen ohne Unterlass regnen. Der Dauerregen schlägt auf die Stimmung, zermürbt die Urlauber, man hockt in der Enge der Häuser aufeinander ohne die üblichen Outdoor-Aktivitäten, noch nicht einmal die Handys haben Empfang. 

Jedes Kapitel widmet sich einem anderen Feriengast, begleitet ihn ein Stück durch den Tag, nimmt teil an seinen Gedanken und Empfindungen. Eine Lebensunzufriedenheit unterschiedlichen Ausmaßes begegnet einem da in dieser Feriensiedlung - und der Dauerregen stellt Beziehungen jedwelcher Art auf die Probe. Jeder flüchtet hier vor irgendwas, zieht die Einsmkeit der Zweisamkeit vor. Und beobachtet so ganz nebenher auch die Menschen in den benachbarten Blockhütten. 

Eingelullt und fast genervt war ich von all den gelangweilten, schlecht gelaunten, miesepetrigen, negativen Gedanken der Bewohner der Feriensiedlung. Und doch konnte ich mich der gedrückten Atmosphäre nicht entziehen, die Sarah Moss hier kreiert - düster und mit dem Gefühl einer zunehmenden Bedrohung. Das Prinzip von Andeutungen und Auslassungen trägt sicherlich dazu bei.

Neben den Charakterzeichnungen (oft mit wenigen Pinselstrichen hingeworfen und dabei unglaublich treffend skizziert) haben mich auch die bildhaften Naturschilderungen beeindruckt, die oftmals ebenfalls düster ausfallen. Der Schreibstil ist ruhig und gesetzt, stellenweise fast poetisch: "Er schenkt ein, von weiter oben als nötig, bewundert die Form der fallenden Flüssigkeit und den sich ringelnden Dampf, die Drinnen-Variante des Nebels zwischen den Bäumen." (S. 29) Dann wieder ist die Ausdrucksweise unvermittelt so harsch, dass man fast zusammenzuckt.

Wie gelungen dieser Roman konstruiert ist, entpuppt sich erst ganz am Schluss - das Ende hat definitiv einen "Wow"-Charakter. Und der letzte Satz: Gänsehaut! Keinesfalls eine erbauliche Sommerlektüre. Aber ein klug konzipiertes psychologisches Kammerspiel, das mich letztlich sehr für sich einehmen konnte. 

 

© Parden