Rezension

Deprimierendes Fazit

Die Einladung -

Die Einladung
von Emma Cline

Bewertet mit 3 Sternen

Die 22-jährige Alex arbeitet als Escort. Zuletzt hat sie gemeinsam mit dem älteren Simon Zeit in dessen Villa außerhalb der Stadt verbracht. Dort konnte sie schwimmen gehen, wann immer ihr danach war, hat in den Tag hineingelebt und mit Simon Dinnerpartys besucht, zu denen sie von ihm ausgewählte Kleider trug, eines teurer als das andere. Nach einem Fehltritt jedoch sieht ihre Realität plötzlich anders aus, denn Fehler sind nicht erlaubt in der Welt der Superreichen, und so ist sie denn auch nicht länger willkommen in der hübschen Strandvilla. Eine Rückkehr in die Stadt jedoch ist aufgrund einer noch offenen Rechnung aus der Vergangenheit ebenfalls undenkbar. Daher plant Alex, bei einer glamourösen Gartenparty alles daran zu setzen, Simons Zuneigung zurückzugewinnen - bis dahin ist es allerdings noch eine Woche, in der sie ohne Dach über dem Kopf oder Geld in der Tasche über die Runden kommen muss.

Eine sympathische Protagonistin ist Alex dabei nicht. Sie nutzt jede Gelegeheit, sich selbst einen Voreil zu verschaffen, schleicht sich bei fremden Gesellschaften ein, lügt und betrügt wo immer sie es als notwendig erachtet und schreckt nichteinmal vor etwas zurück, was realistisch betrachtet schon an Kindesentführung grenzt. Schuldgefühle hat sie bei alledem aber keinesfalls, stattdessen ist ihr das Schicksal derer, die sie für ihre Zwecke ausnutzt, größtenteils egal. Sobald sie jemanden nicht mehr braucht, wird dieser ohne Skrupel fallengelassen, ist ihr einziges Ziel doch, Simon zurückzugewinnen.

Der Roman hat mich zwiegespalten zurückgelassen, den allgemeinen Lobgesängen kann ich mich nicht so ganz anschließen. Ja, es ist eine faszinierende, gesellschaftskritische Betrachtung, die Emma Cline hier anstellt. Und ja, ich habe den Roman regelrecht verschlungen - jedoch weniger, weil ich so begeistert davon war, als vielmehr, weil ich ständig auf den großen Knall gewartet habe, den Augenblick, in dem Alex' Lügenkonstrukt zusammenbricht und jemand die Frage danach stellt, was genau sie dort eigentlich treibt.

Mit Spannung gelesen habe ich auch, weil ich darauf gewartet habe, mehr aus der Vergangenheit der Protagonistin zu erfahren, irgendetwas, das ihre Persönlichkeit erklärt und die Situation, in der sie sich befindet, einfach irgendeine Grundlage. Beides, Knall und Hintergrund, blieb jedoch größtenteils aus. Das Ende des Romans ist für Alex weniger positiv, war aus Sicht der Leser*innen vollkommen absehbar (wobei ich mich daran in diesem Fall überhaupt nicht störe!), und zeigt, dass sich die Protagonistin im Laufe dieser erzählten Woche genau gar nicht weiterentwickelt und nichts dazugelernt hat. Man erfährt weder etwas über das Davor noch über das Danach, der Roman ist eine Momentaufnahme, zeigt eine Woche, in der zwar jede Menge passiert, deren Essenz jedoch Stillstand ist. Kann man mögen, mir hat da aber einfach etwas gefehlt.

Was Cline dabei jedoch großartig gelingt, ist der moralische Zwiespalt, in dem man sich als Leser*in befindet - Alex ist vom ersten bis zum letzten Moment durchweg unsympathisch und ihre Handlungen sind alle mindestens fragwürdig; dennoch hofft man für sie, dass sie damit irgendwie durchkommt und sich am Ende alles zum Guten wendet. Gleichzeitig wird klar, wie absurd die Welt der Reichen ist, wie einfach man mit etwas Blenderei und Betrügerei einen Zugang zu ihr erhält, wie unvermittelt sie einen dann aber auch beim kleinsten Verstoß wieder ausspucken und in Abhängigkeit von ihr zurücklassen kann. Das einmal durchschaut, wird deutlich, dass alles, was Alex selbst tut, im Wesentlichen genau dasselbe ist: andere Menschen werden so lange akzeptiert, wie sie einem von Nutzen sind, danach werden sie fortgestoßen. Der Roman zeigt keinerlei Alternative zu diesem Konstruk auf, und vielleicht habe ich ja etwas falsch verstanden oder übersehen, aber für mich ist das ein ziemlich trostloses Fazit.