Rezension

Der Autor weiß, wie man Leser begeistert

Das Eulentor -

Das Eulentor
von Andreas Gruber

Bewertet mit 5 Sternen

Solider Thriller, packend geschrieben

Mystery? Nie gelesen, kein Interesse. Ich stehe auf Politthriller und Esoterik, am liebsten als Kombination, wie beispielsweise Colin Cotterills Dr.-Siri-Reihe.

Andreas Gruber? Nie gehört. Und wenn auf dem Cover "Bestseller-Autor" steht, bin ich generell misstrauisch, denn selbst große etablierte Verlage verticken heutzutage ungenießbaren Trash unter diesem Label.

Luzifer-Verlag? Wohl einer dieser Kleinverlage, die unbegabten Schreiberlingen eine nutzlose Chance geben.

Oder?

Zugegeben, ich bin etwas old-fashioned. Vor einem Jahrzehnt bin ich noch Woche für Woche im Morgengrauen mit dem Rad an der Neiße entlanggefahren, den Gepäckträger voll mit dicken Thriller, Hörbüchern und Filmen, damals damals allesamt auf CD bzw. DVD, klopfte in Zittau meine Rezensionen ins Internet, samt Videopodcasts, zu jener Zeit völlig unbekannt, was der Firma letztendlich die Pleite brachte, und radelte nachmittags mit neuen Büchern, CDs und DVDs zurück, mit ziemlich plattem Hinterreifen ob der gewaltigen Last. All dies Woche für Woche über mehrere Jahre. Bei der Frankfurter Buchmesse staubte ich dann sogar eine dicke Ballatine's-Whiskeyflasche ab, im eleganten Buchschuber. Sich gleichzeitig betrinken und die Buchseiten umblättern, das war schon eine Meisterleistung. Good old times!

Und jetzt dies:

Eine 369 Seiten dicke Scharte, die mich gleich im Vorwort mit einer warmherzigen Schreibe empfängt, gänzlich uneitel, jedoch nicht kriecherisch devot, sondern neugierig macht wie wenn der Oberkellner einer Beisel in Wien die Tageskarte vorträgt und einem sein seiner Beschreibung des Palatschinkens das Wasser im Munde zusammenläuft.

Der Mann macht einfach nichts falsch:

Wenn schon Mystik, dann bitte die Klassiker H.P. Lovecraft (Cthulhu) oder Edgar Allen Poe (The Raven, vom Alan Parsons Project genial vertont. Andreas Gruber aus dem sumpfigen Grillenberger Becken in Niederösterreich auf halber Strecke zwischen Wien und Wiener Neustadt, wo das Herz von Kaiser Maximilians I., dem Weißkunig, unter dem Altar der St.-Georgs-Kapelle begraben liegt, erwähnt diese Autoren im Vorwort und tritt wahrlich in ihre Fußstapfen.

Schon im Prolog wird die Hauptfigur Nele derart elegant eingeführt, dass sich der Leser unschwer mit ihr identifizieren kann. Nur zwei Seiten weiter eine überraschende Wendung und man ist mitten drin in der Handlung.

Der Autor quält uns nicht mit langweiligem Info-Dumping, wie das Lesen der meisten filigran durchkonstruierten Verschwörungsthriller zur Qual macht, sondern streut sie ganz leicht ein, wie Zuckerstreusel oder eine kleine Erdbeere am Rande besagten Palatschinkens, ab Seite 23 im ersten Kapitel, das kurz und übersichtlich ist und wie alle 70 Kapitel mit einem Cliffhanger endet, sodass sich "Das Eulentor" in leicht verdaulichen Gabelbissen genießen lässt.

Dort im ersten Kapitel kommt auch schon die nächste überraschende Wendung in Form eines Massakers. Da Andreas Gruber sein Schreibhandwerk versteht, vermeidet er plastische Schilderungen von sadistisch zerschnittenen Frauenleibern, was bei eingangs erwähnten Bestsellerautoren heutzutage anscheinend zum guten Ton gehört. Eine gute Story und dreidimensionale Charaktere können auf derartiges Beiwerk verzichten.

Kurze Flashbacks wie auf Seite 32 im dritten Kapitel helfen dem Leser, geschehenes zu rekapitulieren. Und wenn dann im fünften udn sechsten Kapiel leichte Rückblenden eingebaut werden, stört das nicht den Erzählfluss, genauso wenig wie technische Begriffe in Kapitel sechs auf Seite 42, wenn von nachtsichttauglichem Cockpit, digitalem Moving-Map-System und taktischen Funkgeräte die Rede ist. Dieser Autor will nicht seine Eitelkeit befriedigen, sondern die werte Kundschaft bewirten - gleich jenen erfahrenen Oberkellnern in Beiseln der Wiener Josefstadt.

Merken Sie etwas?

In dieser Buchrezension fehlt eine Beschreibung des Inhalts. Darauf können Sie vergeblich warten. Ein Buch ist ein Buch, wenn man sich als Leser ernst genommen fühlt, wenn man allen Sorgen und Nöten des Alltags enthoben wird und sich ganz leicht in eine andere Welt hinein träumen kann. Nicht, dass Sie jetz schon wieder an die österreichische Gastronomie denken! Und wenn doch? Nun gut: Das Restaurant Wilder Mann in der Währinger Straße im 18. Bezirk, so in etwas zwischen Volksoper und der Grabstätte Ludwig van Beethovens, dort können Sie solide und schmackhaft speisen, und nebenbei gänzlich ungestört ein wenig der Literatur frönen. Ich spreche aus Erfahrung.

Postscriptum:

Die Widmung "Für Jürgen, Kritiker und Testleser der ersten Stunde" enthält zwar meinen Vornamen, doch schwöre ich beim Leben meiner Großmutter (die schon in den 60-ern starb), niemals nicht zuvor keinesfalls Kritiker oder gar Testleser dieses wirklich großartigen österreichischen Schauspielers gewesen zu sein!