Rezension

Im eisigen Schlund der Hölle

Das Eulentor -

Das Eulentor
von Andreas Gruber

Bewertet mit 5 Sternen

1911 brach eine Expedition am Ende der Welt auf, um eine Landkarte zu erstellen. Angeführt von Alexander Berger begeben sich die Teilnehmer in Lebensgefahr. Aufbrechende Gletscher und unvorstellbare Minusgrade drängen sie an den Rand größter Not, und ein Blizzard reißt ihnen letztendlich den Boden unter den Füßen weg. Doch mitten im Angesicht des Todes machen sie eine Entdeckung, die direkt in den Schlund der Hölle führt.

„Das Eulentor“ von Andreas Gruber ist ein großartiger Horror-Roman. Ich mag den Autor und das Genre hat es mir besonders angetan. Mittlerweile bin ich überzeugt, dass Gruber Horror noch um einiges besser als Thriller schreiben kann. 

„Das Eulentor“ führt den Leser nach Spitzbergen. Dieser Ort ist sozusagen das Tor zum Ende der Welt. Es ist eine Inselgruppe im Arktischen Ozean und dient vor allem als Basislager der Arktisforschung. 

Damit hat Gruber schon eine Furcht einflößende Umgebung als Rahmen herangezogen. Wem kriecht nicht beim Gedanken an endloses Eis die Kälte über die Haut?

Doch der Autor hat damit nicht einmal die Spitze des Eisberges erreicht. Er führt den Leser anhand von zwei Erzählsträngen an den Horror seiner Version von Spitzbergen heran:

Im Jahr 1911 wird bei der Expedition um Alexander Berger ein mysteriöser Schacht entdeckt. Das Rätsel um das Gebilde lässt dem Arzt und anstrebenden Kartographen sowie seinen Mitstreitern keine Ruhe. Es nagt an ihnen, treibt ihren Verstand zu Querelen an und drängst sie immer weiter in die Dunkelheit.

In der Gegenwart, genau 100 Jahre später, reist Neele Tujunen zur Forschungsstation „Sibirion“ nach Spitzbergen. Viele Forschende kommen auf dramatische Weise um, doch Neele gelingt es, sich in vorübergehende Sicherheit zurückzuziehen. Hier liest sie die Tagebücher von Alexander Berger und erfährt, was sich von 1911 bis 1914 zugetragen hat.

Mit diesen beiden Strängen hat Gruber ein exzellentes Gesamtwerk geschaffen. Im Jahr 1911 fängt es ruhig an. Die Vorgehensweise ist überlegt und es herrscht Entdeckerdrang. Alexander Berger und sein Team machen sich im Zeitalter großer Abenteuer in die eigene Herausforderung auf. Sie trotzen dem Wetter, der Kälte, den scheinbar unüberwindbaren Hindernissen und kämpfen sich Stück für Stück in bisher nicht kartographiertes Gebiet vor. Es ist kalt, es ist nass, es ist gefährlich. Und plötzlich zieht es ihnen den Boden unter den Füßen weg.

Im Gegensatz dazu startet Neele in der Gegenwart temporeich. Mit einer List schafft sie es, nach Spitzbergen zu kommen, wo sie sofort von actionreichen Ereignissen überrumpelt wird. 

Trotzdem liegt der Fokus auf dem Geschehen in der Vergangenheit, wo durch eine gemächliche, dichte Erzählform nach und nach der Horror aus der Tiefe bis in die Gegenwart zu Neele dringt. 

Am Ende vereinen sich beide Erzählungen meisterhaft und ich habe benommen und durchgefroren das Buch zugeklappt. 

Andreas Gruber verwendet die Urform menschlicher Existenzängste, Wahnsinn und Besessenheit und kombiniert sie mit einer lebensbedrohlichen Kulisse in einem mysteriös-historischen Rahmen zu einem Horror-Meisterwerk. Wieder einmal mein Appell an den Autor: Herr Gruber, bitte mehr davon!

Im Endeffekt ist „Das Eulentor“ ein erschütternder Roman, der an die Substanz des menschlichen Geistes geht. Glaubwürdige Charaktere, die Eiseskälte der Arktis und das durchgefrorene mysteriöse Ambiente heizen jedem Horror-Leser ein.