Rezension

Der einsame Wolf...

Steinefresser - Michael Behrendt

Steinefresser
von Michael Behrendt

Bewertet mit 3.5 Sternen

Eine leicht entzündliche Mischung aus Action-Krimi, Spionage-Thriller und Nachtreise in eine untote deutsch- deutsche Vergangenheit. »Steinefresser« ist ein Roman; viele Figuren und Verbrechen gehen allerdings auf tatsächliche Ereignisse zurück.

Der SEK-Veteran Wolf Schacht kennt von Berlin vor allem die düsteren Seiten: Mord, Missbrauch, Organisierte Kriminalität. Seine Einheit führt einen ebenso brutalen wie aussichtslosen Krieg. Schacht will dem Teufelskreis der Gewalt entkommen und landet dabei ausgerechnet in der Berliner Mordkommission.
Sein erster Fall, der gar keiner sein darf, zieht ihn in eine schmutzige Affäre, die hoch in politische Machtzirkel reicht  - und tief in die Geschichte Deutschlands: Ost und West. Schachts Gegner agieren eiskalt. Macht, Sex und Geld sind für sie nur Mittel zum Zweck.

Das Gesetz, das Gute konnte man nicht nur mit Moral und Anstand verteidigen, sondern auch mit Mitteln, die nicht erlaubt waren. Schacht war sicher, dass der Staat, der ihm diese Gesetze auferlegte, von ihm insgeheim verlangte, dass er sie manchmal übertrat. Den Rechtsstaat hin und wieder abschaffen, um ihn vor sich selbst zu retten.

Ein harter Kerl ist dieser Wolf Schacht, ein Alphatier, so sagt man wohl. Anerkannt als Anführer in seiner SEK-Truppe aus lauter harten Kerlen, einer für alle, alle für einen. Doch in letzter Zeit kommt Schacht ins Grübeln. Altersmäßig wird er nicht mehr lange mithalten können mit den hohen Anforderungen des SEK. Und wenn er sich anschaut, wohin sein Leben steuert: einsam, gewaltbereit, Alkohol in allen Lebenslagen - ist er sich nicht mehr sicher, ob es das ist, was er wirklich will.
Als er die Möglichkeit erhält, zwei Monate als Praktikant in einer Berliner Mordkommission zu hospitieren, greift er zu. Vielleicht ist es tatsächlich an der Zeit, sich umzuorientieren?

Man musste sich immer noch vom 'polizeilichen Gegenüber' unterscheiden, wie es hieß. Manchmal fehlte nicht viel - manchmal überschritten sie auch diese Grenze.

Gleich sein erster Fall ist gar keiner. Wird zumindest behauptet. Ein Personenschützer und ehemaliger Kollege Schachts wird erschossen in seinem Auto aufgefunden, Selbstmord vermutlich. Schnell wird den untersuchenden Mordkommissaren nahegelegt, die Akte zu schließen, schließlich der Fall dem Staatsschutz übergeben.
Auch wenn Schacht keinerlei Erfahrungen in Ermittlungsarbeit hat, ahnt er - offenbar als einziger - dass hier etwas nicht stimmt. Und als dann noch ein Mitarbeiter der Stasi-Unterlagen-Behörde sowie ein schwuler Politiker ums Leben kommen und auch diese Mordfälle inszeniert wirken, ist Schacht klar, dass die drei Fälle irgendwie zusammenhängen müssen. Nur wie? Sein Jagdinstinkt ist geweckt.

Wer in dieser Stadt glaubte wirklich, dass man Menschen zur Ausübung von Gewalt ausbilden konnte, ohne dass die jemals über die Stränge schlugen? Der Exzess war in Wahrheit kalkuliert. Und zum Berufsalltag geworden.

Warum konnte mich dieser Krimi nicht wirklich überzeugen? Es gab durchaus interessante Themen und Hintergründe, die hier immer wieder aufblitzten, und auch die Figur Wolf Schacht ist durchaus interessant, wenn auch nicht sympathisch. Aber die Punkte 'roter Faden' und 'Glaubwürdigkeit' kommen mir hier doch etwas zu kurz.

Zum einen springt der Roman, sicher auch bedingt durch die meist kurzen Kapitel, zum Teil sehr: Sprünge in Zeit, Handlung, Themen, Personen, Zusammenhängen, die mich gelegentlich verwirrten und mich vor die Wahl stellten, entweder die vergangenen Seiten noch einmal nachzulesen oder aber einfach weiterzulesen in der Hoffnung, dass sich das ganze schließlich logisch erschließen würde. Das war aber nicht immer der Fall. Vielleicht wären hier weniger Hintergründe mehr gewesen, die dafür konsequenter dargelegt und ausgebaut. So blieb vieles nur angerissen und z.T. bis zum Ende offen.
Zum anderen finde ich es wenig glaubwürdig, dass jemand, der von Ermittlungsarbeit keine Ahnung hat und nur Zielstrebigkeit, Menschenverstand und Härte in die Waagschale werfen kann, es nicht nur alleine mit drei Mordfällen gleichzeitig aufnimmt, sondern sich auch noch erfolgreich gegen massive Widerstände ganz besonderer Art durchsetzt, und das gleich von verschiedenen Seiten. Und es gab einiges, was ich nicht verstanden habe, so z.B. weshalb er von einigen Menschen unter der Hand ermutigt und unterstützt wurde, in diesen Fällen zu ermitteln. Was sollte er aufdecken, das sie nicht selbst aufdecken konnten?

Es gab keinen direkten Anlass für das, was er in sich spürte: Tatendrang und Aggressivität. Er hatte eine seltsame Wut in sich. Diese Wut, vor der er Angst hatte, weil sie einfach ganz von selbst über ihn kam. Und weil er sie nicht kontrollieren wollte.

Doch neben diesen eher negativen Aspekten hat mich der Roman durchaus unterhalten. Er führt an zahlreiche Berliner Schauplätze, wobei man merkt, dass der Autor weiß, wovon er schreibt. Er zeigt auch das Verhältnis zwischen den einzelnen Polizeiabteilungen auf, das keineswegs immer offen und von Vertrauen geprägt ist. Und er bietet einen durchaus interessanten Charakter mit dem harten Wolf Schacht, der wohl noch zwei weitere Bände über Zeit und Gelegenheit erhalten wird, sich zu entwickeln, denn geplant ist eine Trilogie.
Das ist auch gut so, denn das Ende lässt den Leser echt am ausgestreckten Arm verhungern. Verdammt: wie geht es weiter?!

© Parden