Rezension

Der Kriegsveteran und die illegale Einwanderin - Liebesgeschichte und Sozialkritik in den USA

Vorbereitung auf das nächste Leben - Atticus Lish

Vorbereitung auf das nächste Leben
von Atticus Lish

Bewertet mit 4 Sternen

"Wenn du den Himmel wolltest, hieß es, hättest du vielleicht nicht hierherkommen sollen. Aber wenn du glaubst, dass deine Füße dich tragen, dann gibt's ja immer noch Amerika." (S. 43)

Die junge Zou Lei beherzigt diesen Spruch, den sie in China hört, als sie sich dort mit ihrer Mutter als Wanderarbeiterinnen verdingt und leidet. Sie gelangt als illegale Einwanderin in die USA. 
Dort ist ihr Leben ebenfalls geprägt von harter, schlecht bezahlter Arbeit, dazu von ständiger Angst vor der Polizei und den Behörden, die sie verhaften, ins Gefängnis bringen oder abschieben könnten, einem menschenunwürdigem Leben und der  Isolation und offenen Ablehnung durch die Gesellschaft. Trotz allem hofft sie weiter auf ein besseres Leben, auch wenn dieser Traum mehr und mehr sinnlos erscheint.

In New York lernt sie schließlich den ehemaligen Soldaten Skinner kennen, der nach seinem Irak-Einsatz schwer traumatisiert ist und sein Leben nicht mehr in den Griff bekommt. 
Eine ungewöhnliche Liebesgeschichte bahnt sich an. Doch hat diese wirklich eine Zukunft?

Die in diesem Roman erzählte Liebesgeschichte ist gleichzeitig eine Sozialstudie zu den unteren Schichten in den USA, in denen (illegale) Einwanderer, verschiedenste Ethnien, arme, benachteiligte, auch kleinkriminelle und traumatisierte Leute täglich um ihr Überleben kämpfen, fernab von der Beachtung der restlichen Gesellschaft. 
Dies ist ein Thema, was mich sehr interessiert und über welches man nicht so häufig in Romanen lesen kann, vor allem nicht über die USA. Daher finde ich das Buch in dieser Hinsicht sehr wichtig und super gelungen.

Kleine Kritikpunkte habe ich dennoch: Zum einen ist die Übersetzung nicht gut gelungen. Wenn man eine Leseprobe des Originaltextes zur Hand nimmt und vergleicht, fällt einem auf, dass der abgehackte Stil, die seltsam gesetzten Semikolons und einige der Umschreibungen und Wörter nicht etwa schlechter Stil des Autors sind, sondern vom Übersetzer eingebaut wurden. Im Original klingt das Ganze dann gleich viel flüssiger und stimmiger. Teilweise hat der Übersetzer sogar Sachen ergänzt, die im Original nicht vorkommen, um diese zu erklären, was meiner Meinung nach über seine Kompetenz weit hinausführt. Das hat mich geärgert, gerade bei so einem hochgelobten Buch.

Zum anderen ist der sehr breite "epische" Erzählstil zu nennen. Die Unterschichten und ihre Lebensbedingungen werden wirklich sehr breit, sehr häufig auch mit Wiederholungen und sehr detailliert beschrieben. Dadurch wird der Roman sehr in die Länge gezogen. 
Das Erzähltempo sinkt und mit ihm die Spannung, vor allem im letzten Drittel des Romans. Das verleitet leicht dazu, dass man nur noch die Seiten überfliegt oder querliest, was schade ist, weil die Beschreibungen und Informationen an sich sehr wichtig und gelungen sind. Es hätte einfach hier und da etwas kürzer sein können und ohne Wiederholungen, dann wäre es genau richtig gewesen. Dafür der eine Stern Abzug (für das Übersetzungsdebakel kann das Buch ja nichts).

Mein Fazit: Im Großen und Ganzen sehr gelungen. Ein wichtiges, ein großes Buch, was mal ein Thema aufgreift, über das sonst nicht so häufig geschrieben wird und was ich auch angesichts der jetzigen Situation in Europa (Stichwort: illegale Einwanderer) für sehr wichtig halte.