Rezension

Das Aus für den amerikanischen Traum

Vorbereitung auf das nächste Leben - Atticus Lish

Vorbereitung auf das nächste Leben
von Atticus Lish

Bewertet mit 3.5 Sternen

Ein in den USA sehr gelobtes Buch stellt uns der Arche Verlag vor. Leider wird der Bezug zum Titel "Vorbereitung auf das nächste Leben" im Buch selbst nicht erläutert und ganz darauf gesetzt, dass er sich von selbst versteht. Ein Fehler ... und nicht der einzige. Dennoch ist dieser Roman, bedrückend und depressiv gesetzt, eine interessante Gesellschaftsstudie, abgesehen davon hat mich der Stil des Autors jedoch oft gelangweilt und genervt.

Recht umfassend ist das Romandebüt von Atticus Lish, der die Unterschicht der USA mittels des aus dem Irak heimgekehrten und aus der Army ausgemusterten Soldaten Skinner und der illegalen Migrantin uigurisch-chinesischer Abstammung Lou Zei  ins Visier nimmt. Unbestritten ist es ein Verdienst Lishs, sich den Randfiguren der amerikanischen Gesellschaft zu widmen.

Die wenigen Protagonisten sind gut ausgesucht. Stilmässig arbeitet der Autor ohne Geschmeidigkeit. Er hämmert seine Sätze auf den harten Beton. Hauptsatz an Hauptsatz, stakkatohaft. Es gibt keine Konjunktionen. Sehr geglückt sind die Dialoge, die bruchstückhaft bleiben, um die Sprachbarrieren darzustellen, dennoch intensiv sind. Gut sind auch die detailversessenen Anfangs- und Ankunftsszenen in New York, man sieht durch die Augen der Agierenden, so ensteht ein umfassendes Bild der armen Viertel New Yorks, in denen eigene Gesetze herrschen. Es wird aufgezählt, nicht erzählt, gefilmt, nicht geschildert. Dies passt zum Auftakt. Durch seine Fixierung auf auflistende Details hat der Autor jedoch meine Aufmerksamkeit im weiteren Verlauf des Romans mehr und mehr verloren.

Die Düsterkeit der Atmosphäre, die Armseligkeit der Schauplätze, die Ausweglosigkeit der Protagonisten, die den amerikanischen Traum von „Jeder kann es schaffen, wenn er sich nur genug anstrengt“ Lügen strafen, alles das ist Stoff für ein außerordentliches Buch. Die stets allgegenwärtige Angst vor Abschiebung und Willkür, die absolute Verlorenheit traumatisierter Soldaten, die Gewaltbereitschaft drangsalierter Menschen gepaart mit ihrer Hilflosigkeit, Frustration und Wut, zusammen mit der Gleichgültigkeit seitens der Gesellschaft und der Politik, diese Elemente bestimmen den Roman, es ist das Aus für den amerikanischen Traum.

Und doch kann ich in den allgemeinen Jubel nur verhalten einstimmen. Sprachliche Holprigkeiten, der Übersetzung geschuldet, ergeben zahlreiche Brüche im Erzählfluss, Nähe zu den Protagonisten unterbindet der Autor durch die gewählte Sprache sowie so, so wurde die Lektüre schnell mühsam. Atticus Lish ist momentan für mich noch kein großer Erzähler, sondern eher ein Schreiber, der mit Worten fotografiert. Da fehlt noch was! Aber da geht auch noch was!

Fazit: Eine Gegenwartsstudie, die sicher ihren literarischen Wert hat, mich als Leser dennoch relativ früh schon verloren hat.

Kategorie: Gegenwartsliteratur
Verlag: Arche, 2015

 

Kommentare

Steve Kaminski kommentierte am 28. Dezember 2015 um 08:55

Toll, dass Du Dir immer so viel Mühe mit den Rezensionen machst und uns ein aussagekräftiges Bild von den Büchern vermittelst!