Rezension

Der verlorene Sohn

Zuhause - Marilynne Robinson

Zuhause
von Marilynne Robinson

Bewertet mit 3.5 Sternen

Die Trilogie

Reihenfolge des Erscheinens: Gilead, Zuhause, Lila

Zeitliche Reihenfolge der Handlung: Lila, zeitlich etwa parallel Gilead und Zuhause

Zuhause kann als Band 2 der Gilead-Serie gesehen werden, aber auch als Einzelband mit Fokus auf eine weitere Person.

 

Inhalt

Glory Boughton ist die jüngste Tochter des presbyterianischen Geistlichen Robert Boughton, der wie sein Freund und rhetorischer Gegenpart John Ames im fiktiven Gilead lebt. Die acht Kinder Boughtons haben Gilead längst verlassen, das große Haus steht leer und Robert wird nicht mehr lange leben. Glory ist knapp 40 und kehrt, vom Leben enttäuscht nach zwei gescheiterten Beziehungen, ins Elternhaus zurück. Als ihr Bruder Jack nach langer Abwesenheit ebenfalls nach Gilead zurückkehrt, brechen alte Konflikte auf. Während seine Geschwister dem Bild der Gemeinde von wohlerzogenen Pfarrerskindern entsprachen, war Jack das Schwarze Schaf der Familie. Als Jugendlicher nutzte er seine Intelligenz allein zu Streichen, trank, musste von seinem Bruder durchs College geschleppt werden, zeugte ein Kind, um das er sich nicht kümmerte, und verletzte als Erwachsener seinen Vater tief mit Versprechungen, die er nie hielt. George schickte Fahrgeld, weil Jack sich ankündigte, Jack kam nicht, Jack kündigte sich wieder an, bis er 10 Jahre lang gar nichts mehr von sich hören ließ. Glory stellte als Kind fest, dass der Vater in der Kirche anders über den Verlorenen Sohn predigte, als er in der eigenen Familie empfand. Aus Glorys Erinnerungen an ihre Kindheit tritt besonders die unterschiedliche Behandlung der Söhne und Töchter hervor. Die Boughton-Söhne waren in Anzug und Schlips während des Sonntagsgottesdienstes der Stolz der Gemeinde, während von den sauber gekleideten Töchtern erst gar nicht gesprochen wurde.

Die Handlung spielt in den 60ern, zur Zeit der Proteste in Montgomery/Alabama. Glory hat sich um eine Zumutung von altem Haus zu kümmern, pflegt einen großen Garten und kümmert sich um ihren hinfälligen Vater. Als Jack eintrifft, übernimmt er einen Teil der Arbeit, zeigt sich äußerst geschickt und hat dennoch ein schlechtes Gewissen, weil er pleite und nur in einem fadenscheinigen Anzug im Elternhaus aufkreuzte. Glory sind Erbitterung und Neid darüber immer noch anzumerken, dass sie sich seit ihrer Kindheit im Gegensatz zu Jack nie anerkannt fühlte. Warum ausgerechnet Jack der Lieblingssohn des Vaters wurde, nagt an ihr. Es gibt viel zu bereuen für Jack, sein Kind das viel zu früh, vernachlässigt, starb - wie auch den Keil, den Jacks Nichtsnutzigkeit in die Beziehung zwischen Ames und Boroughs trieb. Es kommt zum - vorsichtig angebahnten - Treffen mit John Ames (vertraut aus den Bänden "Lila" und "Gilead"), dessen kleiner Sohn circa im Kindergartenalter ist. Jack ist sich bewusst, dass sein Vater nicht versöhnt sterben kann, solange er seinen Sohn nicht unter Gottes Schutz weiß. In Gilead gibt es keine Arbeit für Jugendliche, das wirft deutlich die Frage auf, ob Robert Boughton seinen Kindern die Flügel gab, mit denen sie ihren Heimatort verlassen und sich auf eigene Füße stellen konnten.

Fazit

Obwohl der Verlorene Sohn in „Zuhause“ im Mittelpunkt stehen sollte, habe ich mich stärker für Glorys Sicht der Dinge interessiert; denn ihr lebenslanges Problem finde ich zeitlos, dass schwierige Söhne mehr Aufmerksamkeit erhalten als zuverlässige Töchter. Wie die Handlung gegenüber „Lila“ zeitlich einzuordnen ist, habe ich zwar aufmerksam verfolgt, aber "Gilead" und "Lila" haben mich stärker angesprochen als dieser Teil.

Kommentare

FIRIEL kommentierte am 13. August 2023 um 08:24

Auch für mich steht Glory im Mittelpunkt, obwohl Jack natürlich sehr, sehr zentral ist. Aber inzwischen gibt es ein weiteres Buch aus seiner Sicht. (Es endet leider etwas früher; ich hätte sehr gern gelesen, wie Jack seinen Aufenthalt in Gilead empfindet.)

ups - ich sehe gerade: Du hast auch "Jack" schon gelesen und rezensiert...