Rezension

Der Wahnsinn des Krieges

Nachts ist unser Blut schwarz - David Diop

Nachts ist unser Blut schwarz
von David Diop

Bewertet mit 3.5 Sternen

Im vorliegenden Roman des franko-senegalesischen Autors David Diop begleiten wird den „Senegalschützen“ Alfa Ndiaye in seine Gedankenwelt. Diese ist durch seinen Einsatz für Frankreich an der deutsch-französischen Front während des Ersten Weltkriegs mächtig durcheinandergebracht, da er nicht nur seinen besten Freund neben sich hat elendig sterben sehen, sondern auch weil er sich nicht verzeihen kann, dessen dreimal vorgebrachte Bitte, ihn von seinen Qualen aktiv zu erlösen, nicht nachgekommen zu sein. Alfa driftet immer mehr in den Wahnsinn ab und wir werden Teil seiner Gedankenwelt.

Diop spricht in seinem kurzen, fast novellenartigen Roman ein häufig übersehenes bzw. vertuschtes Thema der französischen Geschichte an. Laut seinem Nachwort zum Buch kämpften 180 000 sogenannte „Senegalschützen“ für Frankreich im Ersten Weltkrieg. Ein Schicksal erfindet nun Diop und erzählt dieses punktuell nach. Man sollte bei diesem Buch aber kein allzu exemplarisches Beispiel oder gar einen stark faktendurchzogenen Text erwarten. Es handelt sich vielmehr um das Psychogramm eines traumatisierten Soldaten.

Alfa wird nach dem sich stundenlang hinziehenden Tod (inkl. heraushängender Innereien, also nichts für schwache Nerven!) seines „Seelenfreundes“ zunehmend zu dem, wie die Offiziere der Armee die Schwarzafrikaner in diesem Krieg zu Abschreckungszwecken darstellen wollten: einem Wilden. Wild durch Wut und Schuldgefühle, da er denkt seinen Freund an verschiedenen Stellen ihres Lebens verraten zu haben und damit für dessen Tod verantwortlich zu sein, entgleitet er in den Wahnsinn. Der sog. „kurzzeitige Wahnsinn“ sei sogar von den Vorgesetzten erwünscht, denn: „Der kurzzeitige Wahnsinn lässt die Wahrheit der Kugeln vergessen. Der kurzzeitige Wahnsinn ist der Bruder des Kriegermuts.“ So geht Alfa immer schrecklicher beim Umbringen der Gegner vor, doch das ist wiederum nicht erwünscht durch dir Obrigkeit, so sagt der Hauptmann zu ihm: „Du musst sie einfach nur töten, nicht verstümmeln. Im zivilisierten Krieg ist das verboten. Verstanden? Morgen fährst du.“ Während Alfas Fronturlaub in einer Rehabilitationsanstalt, auf den er von seinem Hauptmann geschickt wird, lernen wir nun etwas mehr über seine Vergangenheit im Senegal und die Freundschaft zu Mademba Diop, seinem Seelenfreund, kennen.

Sprachlich ist der Roman anspruchsvoll. Und zwar dahingehend, dass man mit den ständigen Wiederholungen in den Gedanken Alfas zurechtkommen muss. Mich hat dieses Repetitive immer stärker in den Kopf des Erzählers gezogen. Es hat also genau seinen Zweck erfüllt, ist aber sicherlich nicht jedermenschs Sache.

Insgesamt hätte ich gern einen ausführlicheren Roman gelesen. Die mitunter nur kurz eingeworfenen Umstände von Alfas Leben zuhause, dessen Weg in die Armee und dessen Position innerhalb einer Armee voller Französisch sprechenden Weißen, die Alfa sowohl rein sprachlich als auch vom Wesen her nicht versteht, hätte ich gern ausgebaut gesehen. So endet das Buch nach nur kurzer Lektüre mit einem afrikanischen Märchen, das einzuordnen an dieser Stelle schwerfällt. Ich empfehle nichtsdestotrotz die Lektüre dieses Romans, besonders aufgrund der historischen Brisanz und des überzeugenden Psychogramms dieses Soldaten.

3,5/5 Sterne