Rezension

deutsch-deutsche Geschchte die Spaß macht

Torstraße 1 - Sybil Volks

Torstraße 1
von Sybil Volks

Bewertet mit 4 Sternen

Willkommen im Berlin im Jahre 1929. Die hochschwangere Kaufhausangestellte Vicky hilft bei der Eröffnungsfeier des neuen Kreditkaufhauses Jonass. Noch am selben Abend bringt sie in der Poststation des Kaufhauses ihre Tochter Elsa zur Welt. Hilfe bei der Geburt bekommt sie durch eine alte Postangestellte und dem jungen Handwerker Wilhelm Glaser, der am Bau des Kaufhauses Jonass beteiligt war und dessen Frau gerade ebenfalls in den Wehen liegt und ihren Sohn Bernhard zur Welt bringt.
Durch die Kinder kommen Vicky und die Familie Glaser sich langsam näher. Obwohl Vicky allein erziehend ist, und die Affäre zu dem jüdischen Sohn ihres Arbeitgebers geheim halten muss, finden sie und ihre Tochter durch die Glasers eine Art Familienanschluß. Doch die politische Situation wird immer angespannter und bald stehen die beiden Familien auf unterschiedlichen Seiten. Doch eines verbindet Vicky mit den Glasers durch den Krieg hindurch bis zum Fall der DDR: die Kinder.

Mit einem schönen und gefühlvollen Schreibstil deckt Sybil Volks eine sehr umfangreiche Zeitspanne ab. Das Buch fängt bei der Machtergreifung der Nazis an und endet schließlich mit dem Mauerfall und der Wiedervereinigung Deutschland. Zu Beginn des Buches entsteht der Trugschluß, dass es sich um eine sehr leichte Lektüre handelt. Aber dem ist nicht so. „Torstraße 1“ erfordert durchaus ein gewisses Maß an Aufmerksamkeit und Konzentration. Zum Dank wird man dann allerdings mit wundervollen Charakteren belohnt, wie sie unterschiedlicher und menschlicher nicht sein können. Die Perspektiven wechseln sich alle paar Seiten ab. Mal haben Wilhelm oder Bernhard das Wort und werden danach von Elsa oder Vicky abgelöst. Zusammen mit der gegenwärtigen Situation, bekommt man sehr viele Erinnerungen und Rückblicke, was sich ansonsten im Leben der beiden Familien ereignet hat.

Etwas verwirrend sind die Zeitsprünge, mit denen man durch das Buch hüpft. Immerhin sind auf knapp 400 Seiten über 40 Jahre Geschichte versteckt. Hier muss man sich anhand der Informationen orientieren, um herauszufinden, in welcher Zeit man gerade steckt. Konkrete Zeitangaben als Überschrift oder Randnotiz gibt es nicht. An dieser Stelle muss ich aber sagen, dass es sich schlimmer anhört, als es in Wirklichkeit ist. Die zeitliche Neuorientierung erfolgt sehr schnell.

Obwohl mir das Buch wirklich gut gefallen hat, konnte ich mich mit Elsa nicht so wirklich anfreunden. Witzigerweise ist sie zwar diejenige, die in dem Buch mit die größte Rolle spielt, aber irgendwie auch diejenige, die am wenigsten Farbe abbekommen hat. Mir persönlich fehlte hier irgendwas Greifbares. Irgendwas, wo man sagen konnte: „Ja, das ist Elsa.“
Es hat mir trotzdem unglaublich viel Spaß gemacht „Torstraße 1“ zu lesen und ich kann es jedem empfehlen, der Familiengeschichten mag und sich ein wenig für deutsch deutsche Geschichte interessiert.