Rezension

Deutsche Geschichte in Romanform

Herrliche Zeiten - Norbert Leithold

Herrliche Zeiten
von Norbert Leithold

Bewertet mit 5 Sternen

Obwohl ich noch auf weitere gute Literatur hoffe, "Herrliche Zeiten" von Norbert Leithold hat gute Chancen auf mein persönliches Buch des Jahres 2014.

Am Beispiel der Familie Krypscholl erzählt die Zeitläufte zwischen 1939 und 1967. Hermann Krypscholl ist ein Begünstigter der Arisierung, seine beiden Kinder Anna und Otto, die eigentlichen Hauptfiguren des Romans, machen auf unterschiedliche Art Karriere im Dritten Reich. Anna wird für das "Ahnenerbe" tätig, die Organisation, die die Aufzüchtung der nordischen Rasse gewährleisten soll. Dabei verstrickt sie sich aber auch zwangsläufig in die Kehrseite des Programms, die Euthanasie. Später wird sie gar Assistentin eines Mediziners, der in Buchenwald Menschenversuche durchführt. Das Kriegsende verschlägt die nach einer Vergewaltigung traumatisierte Anna in ein mecklenburgisches Dorf, wo sie unerkannt weiterlebt.

Ihr Bruder Otto, der eigentlich ein Künstler werden möchte, wird von seinem dominanten Vater in die Wehrmacht gesteckt, in der er dann den Ausbruch des Zweiten Weltkriegs miterlebt. Eher zufällig gerät er in eine von Göring eingesetzte Kommission, die den Auftrag hat, Beutekunst zu sammeln. Dass Otto dabei immer auch etwas für sich abzweigt, ermöglicht ihm nach dem Krieg den Einstieg in den Kunsthandel. Als Vater versagt er dann bei der Erziehung seines Sohnes Karl ebenso wie Hermann bei ihm, allerdings scheint Karl die Emanzipation vom Übervater zu gelingen, wenn auch um einen hohen Preis.

Parallel dazu entwickelt sich Regina, Annas Tochter, in der DDR von einer gezwungenen Informantin zur selbstbewussten, sich dem System widersetzenden jungen Frau.

Neben diesen Hauptsträngen entwickelt Leithold bis in die Nebenfiguren hinein ein bewundernswertes Panoptikum der Geschichte im genannten Zeitrahmen. Die Sprache ist bisweilen derb und stakkatohaft, gegen Ende wechseln die Perspektiven manchmal gar mitten im Kapitel, aber das tut dem Lesegenuss keinen Abbruch.