Rezension

Die "Kritische Masse"

Corporate Anarchy - Nils Honne

Corporate Anarchy
von Nils Honne

„Wissen ist Macht. Aber zu viel Wissen macht machtlos. Nichts hat mich mehr aus der Bahn geworfen als diese einfache Erkenntnis. Am Anfang meiner Misere stand der Wunsch nach einer besseren Welt.“ Zitat S. 13

Marvin ist ein junger Mann mit idealistischen Zielen. Er möchte mit seiner Überzeugung, den ausgebeuteten Planeten, zu einer besseren Welt machen. Doch als Einzelner steht er ausgeliefert einer Übermacht von Wirtschaftsbossen, Pharmakonzernen und Ölmultis gegenüber. Frustration macht sich breit. Bis er bei einer Demo, in einen gefährlichen Konflikt mit der Polizei gerät, aus dem ihn Lennard befreit. Er erlangt sein Bewusstsein auf einem Grundstück, inmitten einer Gemeinschaft, die auf den ersten Blick, einer Kommune gleicht. Das „Camp Zukunft“ handelt und lebt, mit denselben Überzeugungen, wie Marvin. Sie versorgen sich hauptsächlich selbst und kehren dem kommerziellen Konsum den Rücken. Die Anführer üben eine starke Anziehungskraft auf Marvin aus, endlich fühlt er sich verstanden und sie geben ihm das Gefühl, gemeinsam etwas bewirken zu können. Aus dem „Camp Zukunft“ wird die „Kritische Masse“ und sie machen sich auf, um einen weitreichenden Rachefeldzug gegen die Verantwortlichen von Hungersnot, Umweltverschmutzung und Massensterben zu starten. Ehe sich Marvin versieht, befindet er sich in einer Maschinerie, dessen Folgen er nicht mehr aufhalten kann.

„Weißt du, was die wahre Krise unserer Zeit ist?, fragte Lennard. „Die Krise der Moral, Finanzkrise, Wirtschaftskrise, Energiekrise, Politikkrise, Umweltkrise, das sind alles nur verschiedene Köpfe desselben Monsters. In Wahrheit durchleben wir eine Krise der Werte.“ Zitat S. 128

Der Autor Nils Honne versteht sich darin packend und vielseitig zu schreiben. Der Erzählstil passt sich immer der jeweiligen Situation an, in der sich Hauptprotagonist Marvin gerade befindet. Seine Erfahrungen und Empfindungen bilden das Fundament der Story. Man erlebt die Handlung ausschließlich aus Marvins Perspektive. Dadurch baut man, als Leser, natürlich schnell eine Bindung zu seiner Figur auf und erlebt seine Entwicklung sozusagen hautnah mit. Dieser Beobachtung begegnet man sehr schnell mit Sorge, Fassungslosigkeit und späteres Entsetzen. Man sieht den Abgrund auf den Marvin zusteuert direkt vor sich und die Nerven sind zum Zerreißen gespannt.

Marvin ist, von Beginn an, ein schwieriger Charakter. Seine Werte sind sehr idealistisch, aber sein Lebensstil wird zunehmend von Mißtrauen geprägt, die teilweise sogar in paranoide Angszustände ausarten. Erst im Schoß der Gruppe, rund um Lennard, baut er Vertrauen auf und verpasst den Moment, die Gruppe mißtrauisch zu beäugen. Durch seine radikalisierte Weltanschauung ist er sehr empfänglich für geschickte Manipulation.

Lennard ist als Persönlichkeit, auch sehr stark, fast schon überzeichnet. Er verfügt über ein krankhaftes Geltungsbedürfnis und weiß mit seiner harten Eloquenz zu überzeugen. Mit seinem „Camp Zukunft“ liest er, gemeinsam mit den Geschwistern Vincent und Sophie, Bedürftige auf, um sie an die Gruppe zu binden. Sie perfektionieren ihre Gruppendynamik und spannen strategisch ein weit verteiltes Netzwerk.

Der menschliche Glauben hängt, hier, immer am seidenen Faden und es wird schonungslos aufgezeigt, wie schmal der Grat zwischen Protest und Terror ist. Hier wurde ein äußerst brisantes Thema aufgefasst, denn, wie oft schon, wurden in der Vergangenheit, scheinbare „Spinner“ und Gegner des Systems gnadenlos unterschätzt. Es brodelt gewaltig in den Gesellschaftsschichten, auch hier bei uns und die „Kritische Masse“, wie hier im Roman beschrieben, zeigt Alternativen auf. Eine schleichende Bedrohung!

Egal wie man zu diesem Thema steht, der Roman hinterlässt auf jeden Fall seine Spuren.

 

5 Sterne und eine unbedingte Leseempfehlung