Rezension

Die Perspektivänderung konnte nicht überzeugen

Oblivion 1. Lichtflüstern - Jennifer L. Armentrout

Oblivion 1. Lichtflüstern
von Jennifer L. Armentrout

Von Oblivion – Lichtflüstern habe ich mir erhofft, einige weitere Hintergrundinformationen zur Spezies der Lux quasi aus erster Hand, nämlich durch Daemons Gedanken zu erfahren: Woher kommen die Lux genau? Wie kam es dazu, dass sie von ihrem Planeten fliehen mussten? Und wie haben sie sich in der Welt der Menschen bei ihrer Ankunft zurechtgefunden? Ich habe Insiderwissen zur physischen Beschaffenheit der Lux-Spezies erwartet und auch ein zu Daemons Gefühlswelt. Armentrouts Intention bei der Erzählung der Geschichte aus Daemons Perspektive, lag hauptsächlich auf der Schilderung von Daemons Beobachtungen bzw. seiner körperlichen Reaktion auf Katy. Alle anderen Punkte betreffend war das Buch leider eine herbe Enttäuschung.

"Ich war nicht mehr als ein Lichtstreifen im Wald. Ein Alien zu sein, der von einem dreizehn Milliarden Lichtjahre von der Erde entfernten Planeten stammt, war schon ziemlich genial." (S. 7)

Der meiner Meinung nach spannendste und fesselndste Aspekt bei der originalen Obsidian-Reihe von Jennifer L. Armentrout besteht darin, dass Katy sich in einen wahnsinnig anziehenden Bad Boy verliebt. Zusätzlich ist Daemon passenderweise übernatürlich stark, geheimnisvoll und – nicht menschlich! Gibt es einen besseren Helden? Nein, denn er wird neben seinen herausragenden Qualitäten zum Liebling des Lesers, weil er sich in die Heldin verliebt. (Wir erinnern uns: „The lion fell in love with the lamb“, klingelt’s?) Der Plot funktioniert nur deshalb so gut (und ich meine es genau so, denn er hat auch bei mir funktioniert), weil die Handlung und die Beziehung der beiden aus Katys Sicht geschildert ist. Der Leser spürt unmittelbar Katys Enttäuschung aufgrund von Daemons Zurückweisungen, ist von seinen Gemeinheiten und seiner Bosheit getroffen, fühlt Katys Liebeskummer und auch das Kribbeln des ersten Kusses. In Obsidian geht die Identifizierung mit der Protagonistin Katy daher voll auf.

In Oblivion hingegen wird der Zauber zerstört, indem Daemons Gefühle nur beiläufig angedeutet und nur sehr selten näher ausgeführt werden.

"Sie fühlte sich zu mir hingezogen, und auch, dass ich sie gerade quer durch den Garten vor mir hergetrieben hatte, änderte daran nichts. In mir löste das etwas aus, das ich lieber nicht so genau hinterfragen wollte." (S. 48)

Der letzte Satz des Zitats steht hier beispielhaft für die gesamte Erzählung aus seiner Perspektive. Die Handlung wird durchzogen von Daemons Gedanken, dass da irgendetwas zwischen ihm und Katy ist, was er dann jedoch wieder im Keim erstickt und ignoriert. Die Liebesgeschichte bleibt dadurch oberflächlich und flüchtig, lässt sich für den Leser nicht fassen und veranlasst einen, den inneren Monolog von Daemon, die Armentrout zur Geschichte hinzugefügt hat, zu überfliegen. Daemons Perspektive lässt eher Fragen offen, als das sie beantwortet werden und ist meiner Meinung nach auch dafür verantwortlich, dass kaum Spannung innerhalb der Handlung aufkommt.

"Die Situation war verfahren. Einerseits brachte ich uns womöglich in Gefahr, wenn ich nicht fies zu ihr war, andererseits ging es mir gegen den Strich, die ganze Zeit fies sein zu müssen." (S. 69)

Ich hatte beim Lesen das Gefühl, dass Armentrout sich nicht wirklich sicher war, wie sie die Figur von Daemon charakterlich festlegen soll. Bei Obsidian bleibt der Leser über Daemons Charakter im unklaren, weil Katy ihn ebenso wenig einschätzen kann (er ist nun mal der geheimnisvolle Bad Boy). In Oblivion hätte ich deswegen erwartet, dass durch den Perspektivwechsel Daemon als Figur klare Konturen bekommt, dass ihn seine Gedanken und Gefühle als denjenigen offenbaren, der er auch in den weiteren Bänden ist: Jemand, der genau weiß, was er will, der liebevoll und stark zugleich ist und für seine Familie und Katy sein Leben riskiert. In Oblivion ist Daemons Figur permanent im Zwiespalt und kann so kaum das Herz des Lesers gewinnen.

Fazit & Bewertung

Obwohl ich immer noch ein Fan der Geschichte um Katy und Daemon bin, konnte mich Oblivion kaum überzeugen. Daemons Charakter wirkt unvollendet und oberflächlich. Die gefühlvolle Liebesgeschichte, wie sie noch in Obsidian zu finden war, bleibt dabei auf der Strecke. Zusätzlich bietet die Geschichte für den Leser kaum Mehrwert, denn neue oder zusätzliche Informationen über Daemons Herkunft und seine Spezies sucht man vergeblich.