Rezension

Die Wahrheit in Zeiten des Krieges ...

Kriegspropaganda und Medienmanipulation -

Kriegspropaganda und Medienmanipulation
von Christian Hardinghaus

Bewertet mit 5 Sternen

Propaganda definiert der Medienwissenschaftler Christian Hardinghaus als „Manipulation der Massen durch Machthaber mittels Medien“. Sein kompakter Überblick über Methoden staatlicher Propaganda und ihre Übernahme durch so genannte System- oder Mainstream-Medien besteht aus der Auflistung von 75 Propaganda-Methoden, einem Überblick über Mittel der Propaganda während der Kriege der Neuzeit (Erster und Zweiter Weltkrieg, Vietnam, Zweiter Golfkrieg, Kosovo, Irak, Syrien und Afghanistan) und einem eigenen Kapitel zum Ukraine-Krieg. Die abschließende Kritik an der deutschen Berichterstattung samt Apell zum besseren Journalismus anlässlich des Ukraine-Kriegs fällt mit rund 15 Seiten knapp aus.

Hardinghaus positioniert sich schon in der Einleitung mit der Aussage, deutsche Medien würden durch Ausklammern, Beschönigen und Dämonisieren propagandistische Methoden nutzen und ständen zu stark unter dem Einfluss der Politik. Sein Thema ist staatliche Propaganda und ausdrücklich nicht der Einfluss von User-generierten Inhalten, die inzwischen in weiten Kreisen die Nutzung von Printmedien und Fernsehformaten abgelöst zu haben scheinen. Sehr anschaulich beschreibt der Autor wie „Propaganda“ als Begriff und Vorgang ursprünglich reine Werbung mit positiven Aussagen umfasste und später Kampagnen von Interessengruppen bezeichnete, die menschliche Ängste instrumentalisieren. Er nennt Lippman, Luhmann und Russel, als Vermittler dieser Entwicklung.

Die „75 Methoden“ wirken eindringlich, da sie nicht nur von Staaten und zur Rechtfertigung völkerrechtswidriger Kriege genutzt werden, sondern uns auch von Interessengruppen und Einzelpersonen vertraut sind. Die Vermittlung leidet allerdings darunter, dass einige Begriffe nicht ins Deutsche übersetzt wurden und vermutlich auch nicht mehr übersetzt werden. Hier begegnen uns Euphemismen, Heroisierung und Glorifizierung von Kriegen, Labeling, Framing, Victim Blaming und Whataboutism, die Ich-bin-einer-von-Euch-Methode (wenn Politiker in Gummistiefeln und Schutzhelm erscheinen). Jeder kennt anekdotische Evidenz, dass etwas allein deshalb wahr/relevant sein muss, weil es mir passiert ist, oder die Kontaktschuld, wenn man falsche Bekannte hat. Jegliche Sprachzensur und Kritik am genutzten Wortschatz ordnet Hardinghaus ebenfalls als Propagandamethode ein, die zur Spaltung unterschiedlicher Interessengruppen diene. Um die Macht der Bilder, auch wenn sie gefälscht sind, und Embedded Journalism geht es u. a. in den Kapiteln zu den einzelnen Kriegen. Hardinghaus benennt in diesem Teil verbreitete Propaganda-Lügen in den Kriegen der Neuzeit und wird in seiner Kritik an deutschen „Mainstream-Medien“ den mangelhaften Mut zur kritischen Aufarbeitung dieser Kampagnen beklagen.

Seine Einordnung deutscher Medien als regierungsgesteuert untermauert Hardinghaus mit der Untersuchung von Maurer et al (13.1.2023), die feststellten, dass 5 untersuchte überregionale Zeitungen und 3 Fernsehmagazine Personen nach einem erkennbaren Proporz zu Wort kommen ließen, jedoch keine Vertreter der Linken oder der AfD. Ob das Ergebnis dieser Untersuchung rechtfertigt, die Existenz von System- oder Mainstream-Medien als gegeben zu sehen, sei dahingestellt. Die eigentlich interessante Frage, welchen Einfluss usergenerierter Content hat und wie jene großen Gruppen zu erreichen sind, die gar keine Medien (mehr) konsumieren oder keine deutschsprachigen Medien, war ja nicht Thema des Überblicks.

Hardinghaus kritisiert, dass Medienkritiker selbst als Verschwörungstheoretiker diskreditiert werden und tritt mit dem Anspruch an, das bisherige Insider-Thema Medienkritik zugänglich zu machen. Auch wenn die Kurzdarstellung der Kriege hilfreich ist, den eigenen Wissensstand rückblickend mit der Realität abzugleichen, ist die Dominanz des Englischen in seiner „Liste der 75 Methoden“ ebenso wenig niederschwellig wie Hardinghaus Sprache, so dass sein Buch eher Leser:innen mit Vorkenntnissen zu empfehlen ist.