Rezension

Die zwei Seiten des Ephraim Kishon

Ephraim Kishon -

Ephraim Kishon
von Silja Behre

Bewertet mit 5 Sternen

REZENSION - „Ich bedaure nur, dass ich meiner eigenen Beerdigung nicht lauschen kann. Man wird so schöne Sachen über mich sagen, .... Schade, dass ich das verpasse“, meinte einst der 1924 in Budapest als ungarisch-jüdischer Bankdirektoren-Sohn Ferenc Hoffmann geborene und seit 1949 israelische Schriftsteller, Theater-Autor und Regisseur Ephraim Kishon (1924-2005). Doch während die Beisetzung des seit Anfang der 1980er Jahre in der Schweiz lebenden Satirikers im Jahr 2005 in Tel Aviv kaum Beachtung fand, bringt uns Autorin Silja Behre, die als promovierte Historikerin an der dortigen Universität arbeitet, den inzwischen in Deutschland fast vergessenen Bestseller-Autor anlässlich seines 100. Geburtstags in ihrer lesenswerten Biografie „Ephraim Kishon. Ein Leben für den Humor“, im Juli beim Verlag Langen-Müller erschienen, nicht nur wieder in Erinnerung, sondern lässt uns bislang unbekannte Seiten seiner Persönlichkeit erfahren.

Auf über 400 Seiten mit 46 Seiten Anmerkungen, zehn Seiten Quellen- und Literaturvereichnis und einem siebenseitigen Personen- und Sachregister lernen wir Ephraim Kishon nicht nur als unterhaltsamen Satiriker, sondern vor allem als politisch engagierten israelischen Staatsbürger kennen. Die Autorin zeigt uns den Zwiespalt zwischen dem „deutschen“ und dem „israelischen“, dem „satirischen“ und dem „politischen“ Kishon. Denn neben dem in der Bundesrepublik der 1960er und 1970er Jahre gefeierten Star-Autor, was nicht zuletzt seinem Übersetzer Friedrich Torberg zu verdanken ist, gab es auch den in Israel durchaus umstrittenen „politischen“ Kishon.

Etwa 35 Millionen der weltweit 40 Millionen Bücher Kishons wurden allein auf Deutsch verkauft. „Für die literarische Satire und Humoreske fehlte im Westdeutschland der Nachkriegszeit das Personal“, schreibt Behre. Hier leisteten Kishons Sartiren nach Meinung der Autorin „Entwicklungshilfe in Sachen Humor“. Ausgerechnet der einst von den Nazis verfolgte Autor, dessen Familie im KZ Auschwitz umgekommen war, schrieb „der Deutschen liebste Bücher“ wie „Drehn Sie sich um Frau Lot!“ (1961), „Arche Noah Touristenklasse“ (1963) oder die amüsanten Familiengeschichten mit "der besten Ehefrau von allen". Dabei brachte sich Kishon oft selbst als „Marketing-Manager in eigener Sache“ ein, wie die Autorin in einem besonders interessanten Abschnitt an Beispielen nachweist, und damals die „Bestselleritis“ auf dem deutschen Buchmarkt mitbegründete: „Er avancierte als eine Art literarische Ich-AG zum Verteidiger seiner finanziellen und publizistischen Interessen, intervenierte in die Werbemaßnahmen des Verlags und knüpfte den Erfolg seiner Werke an seine Person, so dass er selbst zum Werbeträger wurde. ... Er war kein zurückgezogen lebender Schriftsteller, sondern … ein auf Öffentlichkeit und PR bedachter Selbstvermarkter.“ Für Kishon war dies selbstverständlich: „Um Millionen von Büchern zu verkaufen, muss ich arbeiten.“ Doch trotz seines Erfolgs in der Bundesrepublik war Kishon mit seinem Image nicht zufrieden: Er sei das „Opfer einer bestimmten Optik“, die seine Rolle als „einer der schärften Regimekritiker“ in Israel ausblende und nicht übersetze, weil sein Verleger fürchte, dass er durch die Veröffentlichung eines „Un-Kishon“ sein Publikum verliere, wird Kishon zitiert.

Interessant in Behres Biografie ist auch die uns Deutschen eher unbekannte Seite Kishons: Denn während der „deutsche“ Kishon ein auf Humor reduzierter Autor war, der nach Meinung bundesdeutscher Literaturkritiker nur „humoristische Massenware ohne literarische Qualität“ lieferte, galt der „israelische“ Kishon als umstrittener politischer Analyst – vor allem durch seine seit 1952 in der Zeitung „Maariv“ erscheinende Kolumne „Chad Gadya“ über das politische und alltägliche Leben im Land.

Die Jahrzehnte, als man den „deutschen“ Kishon in jeder Buchhandlung fand, sind längst vorbei. Heute findet man seine Bücher massenweise – gleich neben Simmel und Konsalik – in Antiquariaten und öffentlichen Bücherschränken. Kommt Behres Kishon-Biografie also Jahrzehnte zu spät? Gewiss nicht! Denn liest man die Kapitel über den in Jugendjahren von Nazi-Terror und -Arbeitslager, Flucht und sowjetischem Gulag geprägten „israelischen“ und „politischen“ Kishon, teilen gerade heute aus aktuellem Anlass wieder viele Israelis seine Meinung: Kishon forderte für arabische Terroristen und Geiselnehmer die Todesstrafe und duldete die gezielte Tötung durch den israelischen Geheimdienst Mossad. Jener Kishon, der in der Bundesrepublik einst für fröhliche Stimmung sorgte, bedauerte gleichzeitig: „Die Welt sieht Israel und die Juden am liebsten als Opfer, nicht als sich selbst verteidigende Militärmacht.“ Vielleicht sollte man unter diesem Aspekt gerade heute die alten Kishon-Satiren noch einmal aufmerksamer lesen? Denn dank Silja Behre und ihrer ausgezeichneten, auf unzählige Quellen stützenden, umfassenden Biografie wird deutlich: Ephraim Kishon war weit mehr als ein unterhaltsamer Satiriker, der nur für ein „Auflachen mit Halbbildung“ sorgte, wie es ein Kritiker mal formulierte.