Rezension

Diesem Meer fehlt die Tiefe...

Als das Meer uns gehörte - Barbara J. Zitwer

Als das Meer uns gehörte
von Barbara J. Zitwer

Bewertet mit 2 Sternen

~~Die Schuhdesignerin Tess Harding lebt mit ihrer Familie in Manhattan. Durch harte Arbeit ist sie sehr erfolgreich geworden, gleichzeitig musste ihre Familie zurückstecken und kam dabei etwas zu kurz. Als Tess dies endlich einsieht, ist es leider zu spät. Ihr Mann Adam kommt bei einem Raubüberfall ums Leben. Während sie ohnmächtig ihrer Trauer gegenübersteht, muss sie einen weiteren Schlag einstecken, denn sie erfährt, dass Adam sich schon länger mit ihrer besten Freundin zusammengetan hatte. Außerdem hat sie keinen Zugang zu ihrem 9-jährigen gehörlosen Sohn Robbie, der seinen Vater entsetzlich vermisst und der für ihn die Hauptbezugsperson war, während Tess an ihrem beruflichen Erfolg arbeitete. Tess weiß sich nicht zu helfen und beschließt, in ihre Heimat Montauk zurückzukehren, wo immer noch ein Teil ihrer Familie lebt und dort ein Motel betreibt. Bei ihrer Ankunft fühlt sie sich gleich wieder wie zuhause, doch Robbie hasst es dort. Einzig der Meeresforscher Kip Young bekommt Zugang zu Robbie und erzählt ihm von einem seltenen Wal, der sich vor der dortigen Meeresküste aufhalten soll und den er finden möchte. Werden Tess und Robbie doch noch einen Weg zueinander finden und gemeinsam ihre Trauer verarbeiten können?
Barbara J. Zitwer hat mit ihrem Buch „Als das Meer noch uns gehörte“ ihren Debütroman vorgelegt. Der Schreibstil ist flüssig und durch die verschiedenen sich abwechselnden Erzählperspektiven lernt der Leser die einzelnen Charaktere mitsamt ihren Gedanken und Gefühlen besser kennen. Die Landschaftsbeschreibungen von Long Island waren malerisch beschrieben und vermitteln dem Leser das Gefühl, alles mit eigenen Augen zu sehen. Die Autorin hat anscheinend sehr ausgiebig zum Thema Wale recherchiert und ihre Erkenntnisse in die Handlung mit einfließen lassen, was ihr sehr gut gelungen ist. Dagegen wirkt das Hauptthema Trauerbewältigung sehr gestelzt und fast unnatürlich, hier war einfach zu viel des Guten, darunter hat leider die Authentizität gelitten.
Die Charaktere sind sehr unterschiedlich ausgearbeitet und in Szene gesetzt worden. Einige wirken sehr sympathisch und wie im echten Leben, andere eher unnahbar und oberflächlich. Tess ist eine toughe Geschäftsfrau, die sich jahrelang fast ausschließlich um ihren eigenen Erfolg gekümmert und dabei ihren Mann und ihren Sohn aus den Augen verloren hat. Erst als ihr Mann tot ist, begreift sie, was sie verloren hat. Sie wirkt in ihrer Trauer irgendwie unglaubwürdig und ist auch sonst nicht sehr sympathisch. Zu ihrem eigenen Sohn hat sie keinen Zugang, was erwartet sie auch, wenn sie nie da war? Tess zeigt einfach viel zu wenig Verständnis für ihn und ist eher auf sich selbst fixiert, was sie kalt und herzlos erscheinen lässt. Der gehörlose Robbie hat all die Jahre fast ausschließlich mit seinem Vater verbracht, der ihn umsorgt und ihn behütet hat, während seine Mutter beruflich eingespannt war. Seine Trauer um den Verlust des Vaters ist absolut verständlich, dass seine Mutter für ihn fast eine Fremde ist allerdings auch. Leider zeigt er fast während der gesamten Haltung eine störrische und abweisende Haltung, benimmt sich wie ein Trotzkopf und macht es schwer, ihn zu mögen. Kip ist dagegen ein sehr sympathischer Protagonist, der warmherzig, offen und ehrlich rüberkommt ebenso wie Onkel Ike. Doch leider können sie das fehlende Gefühl von Wärme und Geborgenheit nicht auffangen, dies kommt in diesem Buch einfach zu kurz bei so einem Thema wie Trauerbewältigung.
„Als das Meer uns gehörte“ ist ein Roman, der sehr vielversprechend beginnt, sich aber in Langatmigkeit und Nichtigkeiten verirrt, wobei das eigentliche Thema aus den Augen verloren wird. Für zwischendurch ganz nett, man sollte nur nicht zu viel erwarten.