Rezension

Direkt, ironisch, auch mal böse

Ein Sommer in Niendorf -

Ein Sommer in Niendorf
von Heinz Strunk

Bewertet mit 4 Sternen

Man muss Strunks Sprachstil mögen - sonst macht die Lektüre keinen Sinn

Ich habe mir das Buch gekauft, weil ich Strunk in einer Talkshow sah und er und das, was er sagte, mich ansprachen. Den Inhalt des Buches kann man auf dem Klappentext nachlesen, darüber hinaus zu erzählen, wäre spoilern. Das, was dieses Buch und seinen Autoren ausmacht, ist die Geschichte dahinter und Strunks Sprachmeisterei. Die Story zeigt, dass es ganz schnell gehen kann, dass jeder Mensch über vielfältige Lebensmöglichkeiten und Wege verfügt, es ist immer die Frage, für was er sich entscheidet und wie schnell man in einen inneren oder äußeren Sog geraten kann. Breda ist überall, fast fühlt sich Roth verfolgt 'Bredas Schatten verdunkelt ganz Niendorf' (35). Diese Metapher ist an sich schon exzellent, da doppeldeutig: das All-umspannende, er ist überall, aber auch wo Schatten ist kein Licht, die Negativität des Einflusses, der Abhängigkeit. 'Jetzt ist er Breda schutzlos ausgeliefert, preisgegeben wie eine Assel, wenn der vermoderte Baumstamm weggewälzt wird' (189). Jedes Wort ist bewusst gewählt und sitzt, statt 'wegwälzen' hätte Strunk ja auch bloß das schwächere Verb 'entfernt' verwenden können. Tut er aber nicht. 'Wegwälzen' impliziert, dass die Aktion gar nicht so leicht ist, mit Gewicht und Anstrengung verbunden und die Schwere des Baumstamms, der ggf. noch weiteres überrollen, sprich Unheil anrichten kann. Plötzlich ist alles ganz anders. Lebenspläne werden durchkreuzt, Lebenswege mäandern und man nimmt dann doch eine andere Abzweigung , als ursprünglich geplant. Das Leben zu planen, ist an sich schon ein schwieriges Unterfangen. Das Buch lässt sich gut lesen, wenn einem Strunks Sprachspiel gefällt. Der Autor ist auffällig direkt, nimmt kein Blatt vor den Mund, detaillgetreu, ironisch bis böse und seine plastische, metaphorische Ausdrucksweise ist beeindruckend. Es beginnt schon damit, wie er den Ort Niendorf beschreibt, den der Leser unmittelbar vor seinem geistigen Auge sieht. Strunk findet die exakt passenden Worte, Roths Kopf fühlt sich 'mehlig' an (16), 'Matschbirne' wäre ein anderes Sprachregister gewesen und nicht so treffend und plastisch wie der Rückgriff auf ein Getreide. Beeindruckend auch, wie Roth seine Gefühle anlässlich des One-Night-Stands mit Melanie beschreibt. Ein paar Mal musste ich laut lachen, Humor ist durchaus vorhanden, auch die Art, wie Strunk die vielen Senioren, die 'Greisen-Radler' an der Ostsee beschreibt:' Beide tragen zur üblichen papageienbunten Funktionskleidung Turnschuhe und Rucksäcke, der Mann hat ein verkehrt herum aufgesetztes Baseballcap auf seinem Eierkopp. Die lächerlich-jugendliche Aufmachung lässt ihn gleich noch maroder erscheinen (…) Damit haben die kaputten Clowns nicht gerechnet' (141). Scharfe Beobachtungsgabe und v.a. auch das Talent, dies in treffende Worte zu packen 'geflutet von destruktiver Energie' (129), passend zur Ostsee-Umgebung. Wer die Gegend rund um die deutsche Nord-/Ostsee kennt, weiß, dass es tatsächlich so ist, z.B. mit den lieben Rentnern. Die Story mit dem Westenmann ist atemberaubend, könnte als Kurzgeschichte durchgehen. Rührend, wie der Autor das Senioren-Ehepaar Klippstein beschreibt Das Ende ist überraschend, doch es soll ja nicht gespoilert werden. Fazit. Es ist wie mit dem Essen, man kann Strunk mögen oder nicht. Wenn man ihn nicht mag, macht es keinen Sinn, seine Bücher zu lesen. Sein Sprachstil wird nicht jedermann gefallen, weil zu direkt und böse manchmal. Bei mir hat er ins Schwarze getroffen.