Rezension

Drei Familien, drei Städte, ein Jahrzehnt Europa...

Und die Welt war jung -

Und die Welt war jung
von Carmen Korn

Bewertet mit 5 Sternen

Die Zukunft erscheint in rosa Farben. Die 50er- Jahre hinterlassen ein zwiespältiges Bild. Darin siedelt die Autorin drei Familiengeschichten an, die sie in "Und die Welt war jung" erzählt. Zum einen haftet dieser Zeit ein muffiger Geruch an. Man verbindet sie mit spießigen Bildern von Frauen am Herd und Männern mit Hüten. Mit einer Gesellschaft, in der Sex vor der Ehe tabu war, Homosexualität unter Strafe stand und die Nazi-Zeit unter den Teppich gekehrt wurde. Andererseits waren die 50er- Jahre unbestreitbar eine Zeit des Aufbruchs. Aus den Trümmern des Krieges entstand in Westdeutschland eine stabile Demokratie. Die Deutschen stürtzten sich in einen Aufbaurausch - bauten, kauften, aßen um die Wette. Die Zukunft erschien in rosa Farben. Insofern stimmt der Titel "Und die Welt war jung". Die Autorin fängt darin die optimistischen Seiten der Zeit ein - mit ein paar düsteren Einsprengseln: eine Familien- und Freundesgeschichte vor dem Hintergrund deutscher Historie in der unmittelbaren Nachkriegszeit. Drei Familien suchen nach den Schrecken der Nazizeit und den Verheerungen des Weltkriegs einen Neustart. 1. Januar 1950: In Hamburg, Köln und San Remo begrüßt man das neue Jahrzehnt. Gerda und Heinrich Aldenhoven betreiben in Köln eine Kunstgalerie. Nach Kriegsende liegt das Geschäft am Boden. Wer kauft schon Kunst, wenn es am Nötigsten fehlt? Doch Heinrich hat Glück und auch einen gewissen Riecher. Er kann einen vielversprechenden Künstler an sich binden und langsam nimmt die Galerie wieder Fahrt auf. Gleichzeitig wird der Händler auf die großartige Kunst des jüdischen Malers aufmerksam, dessen Spuren sich im Dunkel der Nazizeit verlieren.
Schatten der Vergangenheit fallen auch auf die Hamburger Familie Borgfeldt. Gerdas Freundin Elisabeth quält ein mysteriöses Ereignis aus der Vergangenheit, das sie tief in sich verschließt. Ihre Tochter wartet noch immer auf die Rückkehr ihres Mannes Joachim aus dem Krieg, beginnt dann aber eine Liebesgeschichte mit dem sympathischen Engländer Vinton.
In San Remo lebt Familie Canna. Heinrich Aldenhovens Schwester Margarethe hat es durch die Heirat mit dem Kurator Bruno Canna an die sonnige Riviera verschlagen. Doch ihr beschaulicher Alltag wird getrübt durch eine sittenstrenge Schwiegermutter, die das Zepter der Dynastie herrisch in der Hand hält.
Um diese Hauptfiguren herum kreisen noch Söhne, Töchter, Schwiegersöhne und - töchter, Cousinen und Freunde, alles in allem eine verwirrend große Schar von Personen. Geschichte hautnah. Auch eine Übersicht zu Anfang des Buches hilft in diesem Gestrüpp nur bedingt, zudem die Handlung immer wieder von Schauplatz zu Schauplatz springt. Die Protagonisten sind meist sympathisch, man verfolgt ihr Schicksal mit Interesse. So unterschiedlich sie auch alle die Silvesternacht verbracht haben, ihre Fragen am Neujahrsmorgen sind die gleichen: Werden die Wunden endlich heilen? Was bringt die Zukunft? Carmen Korns Sprache ist eingängig und vermeidet allzu große Sentimentalität. Ein großartiger Auftakt einer Geschichte, facettenreich, literarisch und doch zum lockerleichten Weglesen geeignet. Man ist sofort gebannt von den Protagonisten, der Geschichte selbst und dem historischen Kontext  man ist in einer Welt, die gefangen nimmt. Ein toller Start zu einer wundervollen Reihe!