Rezension

Düsteres Drama im Berlin der 30er Jahre

Das Einstein-Mädchen - Philip Sington

Das Einstein-Mädchen
von Philip Sington

Bewertet mit 5 Sternen

Der Berliner Arzt Martin Kirsch, der nach seinen Erlebnissen im 1. Weltkrieg von der Chirurgie zur Psychologie wechselte, steht bei seiner neuen Patientin vor einem Rätsel. Die junge Frau wurde bewusstlos und schwer verletzt im Wald aufgefunden und kann sich an nichts erinnern. Sie hatte keinerlei Papiere bei sich, aber einen Werbezettel für einen Vortrag des berühmten Physikers Albert Einstein, deshalb tauft die Presse sie das „Einstein-Mädchen“.

Es ist ambitioniert, die Quantenphysik, die Psychologie und die Rassenhygiene des Nationalsozialismus zu einer Story zu verpacken, aber ich finde Philip Sington hat das bravurös gemeistert. Seine Charaktere haben eine unglaubliche Tiefe und das Buch liest sich, als ob man kleine Boote von oben dabei beobachtet, wie sie auf unruhiger See langsam aber unvermeidbar auf eine Kollision zusteuern. Man möchte ihnen eine Warnung zurufen, kann aber stattdessen nur beunruhigt das Geschehen verfolgen.

Schauplatz desselbigen ist überwiegend Berlin, aber auch Zürich und ein kleiner Ort in Serbien agieren als Bühne für die Handlung. Stück für Stück entdeckt Martin Kirsch, wer seine Patientin ist und warum sie nach Berlin gekommen ist. Dabei zieht sie ihn immer mehr in ihren Bann und er distanziert sich zunehmend von seiner Verlobten, seiner Familie und seinen Kollegen in der Charité.

Besonders gelungen finde ich die verschiedenen Handlungsebenen. Da ist zunächst der Anfang des  Buches, in dem ein Rahmen für die Geschichte gezeichnet wird. Dann gibt es da noch die kursiv gedruckten Briefe, die das Schicksal des Einstein-Mädchens enthüllen, die politische Entwicklung, die Krankheit des Protagonisten, seine Verlobung und die Trauer in seiner Familie. Wichtig auch die die Einstein’schen Familienzusammenhänge.  Auf allen Ebenen findet eine permanente Entwicklung statt, so dass die Spannung stets erhalten bleibt.

Die Geschichte um den Arzt und das Mädchen hat mich sehr berührt und ich habe viel gelernt über die Anfänge der Quantenphysik und der Psychologie sowie über Albert Einstein. Interessant, emotional und spannend – ein tolles Buch. Lesenswert.